(1) Hintergrund/Fragestellung
Familiale Pflegepersonen sind überwiegend weiblich und oft älter als 50 Jahre. Nehmen sie Sachleistungen in Anspruch, wird das Pflegegeld gemäß dem beanspruchten Anteil reduziert; damit sinkt auch der Rentenbeitrag durch die Pflegekasse und fehlt für die Altersvorsorge (weibliche Altersarmut). Bei einer normalen Pflegezeit von rund zehn Jahren droht auch weibliche Armut vor der Rente. Bei einer durchschnittlichen Pflegeleistung von 63 Wochenstunden (Hans-Böckler-Stiftung) gilt für pflegende Angehörige mit Hartz IV-Bezug (von Pflegebedürftigen bis Pflegegrad 3) eine bis zu 6 Stunden tägliche Arbeitszeit als zumutbar. Pflegende Angehörige sind nicht nur armutsgefährdet, sie sind auch stärker gefährdet, zu erkranken (allem voran an Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen), zu vereinsamen und pflegebedürftig zu werden. Zudem haben jene mit sozialen Nachteilen hinsichtlich Bildung oder körperlicher und psychischer Ressourcen bei der Erzielung angemessener Pflegegrade (und entsprechend hoher Pflegegeldleistungen) und bei Widersprüchen gegen die Pflegekasse weitaus geringere Erfolgschancen (strukturelle Ungleichheit).
(2) Projektbeschreibung/Methode
Die vier genannten Benachteiligungen im Wechselspiel von Armut, Gesundheit und Gender sollen in einem moderierten World Café-Format interprofessionell, intersektoral und unter Beteiligung familial Pflegender diskutiert werden.
(3) Schlussfolgerung/Ergebnisse
Dabei sollen gemeinsam konkrete, politische und soziale Handlungsoptionen erarbeitet werden.
(4) Diskussionsbeitrag/Lessons Learned
Die Ergebnisse werden für das Plenum festgehalten.
11:00 Uhr
Weiblich Pflegende: Zwischen Armutsgefährdung und gesundheitlicher Überforderung
Melanie M. Klimmer | Atelier für Publizistik und Coaching | Germany
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Autor*in:
Melanie M. Klimmer | Atelier für Publizistik und Coaching | Germany
„Politik macht Gesundheit“ auch im Kontext „weibliche Armut – Gesundheit – familiale Pflege“. Im World Café entwickeln wir politische Handlungsoptionen für Teilbereiche mit Reformbedarf: 1) Negative Auswirkungen auf Rentenbeiträge durch Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen, 2) Pflege bis Pflegegrad 3 und Zumutbarkeitsregelung bei Hartz IV-Bezug, 3) erhöhtes Erkrankungsrisiko bei durchschnittlich 10-jähriger Pflegezeit und 4) Zusammenhang von geringem, sozialem Status und geringem Pflegegrad. (Wissenschaftsjournalistin, Würzburg)
11:20 Uhr
Kontakt- und Informationsarmut – 18 Monate Erfahrungen am Silbertelefon – wie weiter?
Elke Schilling | Silbernetz e.V. | Germany
Julia Goldstein | Silbernetz e.V. | Germany
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Autor*innen:
Elke Schilling | Silbernetz e.V. | Germany
Julia Goldstein | Silbernetz e.V. | Germany
Hintergrund/Fragestellung: Am 24.9.2018 wurde das Silbertelefon freigeschaltet – das Gesprächsangebot für ältere vereinsamte Menschen in Berlin. Lässt sich aus den Erfahrungen mit diesen Gesprächen eine Strategie ableiten, die gesundheitlichen Folgen von Kontakt-/Informationsarmut Älterer wirksam zu bekämpfen?
Projektbeschreibung/Methode: Das Gesprächsangebot "einfachmalreden" des Silbertelefons wurde im Zeitraum gut 10 000 mal in Anspruch genommen. Aus den dabei erhobenen anonymiserten Gesprächsdaten werden Schlussfolgerungen zu Bedarf und Bedürfnissen der Anrufer_innen abgeleitet, die als Grundlage der folgenden Dynamic Facilitation vorgetragen werden.
Schlussfolgerungen/Ergebnisse: Im Ergebnis der Session sollten Ansätze für Strategien der Bekämpfung von Kontakt/Informationsarmut Älterer vorliegen. Insbesondere ältere Menschen mit niedrigem Sozialstatus, meist Frauen aufgrund des gender pension gap, sollten davon profitieren, Erarbeitet werden konkrete Handlungsempfehlungen für die politische Arbeit.
Diskussionsbeitrag/Lessons Learned:
In unserer Zielgruppe 60+ leben rund 90% allein, etwa 80% sind weiblich, ca. 60% klagen über gesundheitliche Beschwerden/Depressionen/Ängste und finanzielle Probleme sind häufig der Hintergrund der Gespräche am Telefon. Rund 2/3 der Anrufenden suchen mit unterschiedlicher Frequenz den Gesprächskontakt am Telefon. Materielle, Kontakt- und Informationsarmut stehen im engen Zusammenhang mit gesundheitlichen Beschwerden.
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In einer ca. 30minütigen Vorstellung der Arbeitsweise und Ergebnisse von Silbernetz werden mit den maximal 15 Teilnehmenden die Schlussfolgerungen aus den am Silbertelefon erhobenen Anrufdaten präsentiert. In der folgenden 60minütigen Dynamic Facilitation Session soll gemeinsam eine Strategie erörtert werden, wie diese Ergebnisse in die Prävention von Einsamkeit Älterer und ihre gesundheitlichen Folgen einfließen können.
11:40 Uhr
Nutzen und Weiterentwicklungsbedarfe von Unterstützungsangeboten für Angehörige pflegebedürftiger Menschen
Stefanie Emmert-Olschar | Priv. Universität Witten/Herdecke | Germany
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Autor*innen:
Stefanie Emmert-Olschar | Priv. Universität Witten/Herdecke | Germany
Prof. Dr. Wilfried Schnepp | Priv. Universität Witten/Herdecke | Germany
Prof. Dr. Dr. Andreas Büscher | Hochschule Osnabrück | Germany
1) Hintergrund/Fragestellung
Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Bedeutung informeller Pflege weist die Sachverständigenkommission des 7. Altenberichts darauf hin, dass familiäre Pflege ohne die Verbesserung von Unterstützungsangeboten zukünftig nicht in gleicher Weise aufrechterhalten werden kann. Die Studie „Nutzen und Weiterentwicklungsbedarfe von Unterstützungsangeboten für Angehörige pflegebedürftiger Menschen“ geht daher der Frage nach, welche Determinanten für die Unterstützung Angehöriger besonders hilfreich sind und wie die Angebote aus Nutzersicht weiterentwickelt werden können.
2) Projektbeschreibung/Methode
Auf Basis einer konzeptionellen Vorarbeit wurden relevante Kriterien von Unterstützungsangeboten identifiziert und ein Erhebungsinstrument entwickelt. 275 Angehörige pflegebedürftiger Menschen haben an der Befragung in Berlin teilgenommen, welche derzeit ausgewertet wird.
3) Schlussfolgerung/Ergebnisse
Zur Stärkung Angehöriger sind nutzerorientierte Unterstützungsangebote relevant, die aufeinander abgestimmt und qualitätsgestützt sind. Auf Basis der erhobenen Daten wird herausgearbeitet, welche Determinanten von Angehörigen als besonders hilfreich erachtet werden und welcher Weiterentwicklungsbedarf besteht.
4) Diskussionsbeitrag/Lessons Learned
Mitarbeiter/-innen, die im Umfeld familialer Pflege tätig sind, sollten die Hintergründe informeller Pflege und die Unterstützungsbedarfe Angehöriger kennen. Die Unterstützungsangebote sollten anhand der aus Angehörigensicht als hilfreich erachteten Kriterien überprüft und weiterentwicklet werden.