Dieser Themenbereich gilt Phänomenen, bei denen Mehrdeutigkeit eine Schlüsselrolle spielt, und Praktiken, mit denen Mehrdeutigkeit oder ihr Gegenteil erzeugt wird. Übergreifend ist zu fragen: In welchen Ausprägungen begegnen wir Mehrdeutigkeit? Wie entsteht dort Mehrdeutigkeit? Wie wird sie hergestellt und bearbeitet? Welche Funktionen lassen sich ihr zuweisen und welches Traditionsverhalten wird mit ihnen sichtbar?
Literaturgeschichtlich sind Verfahren der Erzeugung von Mehrdeutigkeit vermutlich eines der zentralen Form- und Sinngebungsmuster – und werden dabei keineswegs negativ bewertet, wie es im politischen Diskurs topisch ist, sondern gelten vielmehr als Schlüsselsignal für ästhetische Dignität. Eine vollständige Relativierung von Bedeutungszuschreibungen ist dennoch nicht zu beobachten, sondern vielmehr eine Diskussion der Grenzen von Interpretationen. Entsprechend lässt sich hier fragen nach historischen Linien solcher ‚uneindeutiger‘ Vertextungsprozesse, nach ihren Funktionen in generischen Zusammenhängen sowie für die Modellierung von Autorschaftskonzepten, nach ihren (literatur)politischen Implikationen, ebenso wie nach der Rückseite der Uneindeutigkeit, sprich: der Klarheit, wie sie etwa von der Trivialliteratur angestrebt wird. Diese Fragen sind sowohl relevant für literaturtheoretische Modellierungen, die Rekonstruktion literaturkritischer Prozesse wie die Fragen nach der Rezeption mehrdeutiger Texte durch den nicht-professionellen Leser.
Linguistisch spielt Mehrdeutigkeit eine Schlüsselrolle bei zahlreichen Phänomenen der menschlichen Kommunikation in Sprachproduktion, -verstehen, sprachlicher Interaktion und im Sprachwandel und wird mit unterschiedlichsten Methoden in Paradigmen wie interaktionaler Linguistik über Korpus- bis zu Psycholinguistik untersucht.
Auch im Deutschunterricht bieten inhaltliche Untersuchungen Potential, unter anderem Mehrdeutigkeit als Andeutung in politisch motivierter Literatur (etwa in Zeiten der Zensur). Mehrdeutigkeit und ihre Erzeugung und Intention können innerhalb einzelner Werke genauso untersucht werden wie für eine literaturgeschichtliche Epoche, im Längsschnitt durch mehrere Epochen oder in interkulturellen Vergleichen (etwa DDR- und BRD-Literatur). Es stellt sich ebenso die Frage nach Mehrdeutigkeit oder Einfachheit in der Kinder- und Jugendliteratur. Außerdem gilt es neben Texten auch Medienformen wie Filme, Serien oder Hörmedien und ihre Spezifika zu betrachten.
Exemplarisch seien folgende Fragen für die Konzeption von Panels und Workshops genannt:
→ Panels und Workshops im Themenbereich 2: Phänomenorientierte Zugänge