Themenbereich 4:
Gesellschaftliche Zugänge

Wie wir Mehrdeutigkeiten wahrnehmen und aushalten, wie wir ihre Muster und Mechanismen entschlüsseln und ob und wie wir sie vereindeutigen oder bekämpfen, wird durch die jeweiligen kulturellen, gesellschafts- und bildungspolitischen Kontexte beeinflusst – vielleicht besonders prägend in Zeiten von Umbrüchen und Krisen. Ihre zentrale Bedeutung in Bildungsinstitutionen und ihre diskursive Verortung in mehrdeutigkeitsaffinen Domänen wie Kunst, Musik und Religion, vor allem aber in Sprache(n), Literatur(en) und ihren verschiedenen Medialitäten, Modalitäten und Gattungen sind offensichtlich. Diskursive, situative und kulturelle Kontexte werden in den germanistischen Teildisziplinen sowohl als Dimensionen der Erzeugung von Mehrdeutigkeiten – intendiert, nicht-intendiert, spielerisch, strategisch – als auch ihrer Disambiguierung erforscht.

In diesem Themenbereich bieten sich in besonderer Weise Schnittstellenfragen an, die zum Beispiel politische, interdisziplinäre, transkulturelle, translinguale, komparatistische und medienvergleichende Dimensionen von Mehrdeutigkeiten fokussieren. Dabei könnten unter-schiedliche analytisch-methodische Zugriffe (z. B. theoretisch/empirisch/schulpraktisch; synchron/diachron; epochenspezifisch/epochenübergreifend), gesellschaftliche Querschnittsthemen (z. B. Digitalität, Inklusion, Integration, Zuwanderung), globale – historische wie aktuelle – Entwicklungen (z. B. Kolonialismus, Nationalsozialismus, Populismus, Pandemien), aber auch Paradigmenwechsel in Wissenschaft und Bildung als Folie dienen.

Exemplarisch seien folgende Fragen für die Konzeption von Panels und Workshops genannt:

  • Welche Konzepte eignen sich für die Entwicklung von Ambiguitätskompetenzen in einem fächer-/sprachen-/kulturübergreifenden Unterricht (z. B. sprachliche und politische Bildung; literarische und künstlerische Bildung; fachliche und kulturelle Bildung in Gesamtsprachencurricula)?
  • Welchen Einfluss haben Social Media auf die Produktion, Rezeption und Reduktion sprachlich-kommunikativer Mehrdeutigkeiten? Welche Chancen und Gefahren für demokratische Gesellschaften können dabei benannt werden?
  • Welche Möglichkeiten gibt es, Mehrdeutigkeiten in Korpora disziplinenübergreifend zu annotieren und als Grundlage für intra-, inter- und transdisziplinäre Forschungsfragen nutzbar zu machen?
  • Welche semantischen Aushandlungsprozesse des Mehr-/Eindeutigen lassen sich in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche und Krisen nachzeichnen (z. B. Menschsein, Nation, Europa, Identität, Herkunft, Geschlecht, Systemrelevanz)?
  • Welche Ambiguitäten können aus Besonderheiten der Erzähllogik oder gattungspoetischer Konstellationen resultieren und epochenübergreifend von Bedeutung sein? Wie kann verloren gegangenes pragmatisches und kulturelles Kontextwissen für die Interpretation und Edition literarischer Texte rekonstruiert werden?
  • Welche Rolle spiel(t)en Mehrdeutigkeiten in Lehrplänen des Deutschunterrichts je nach geltenden gesellschafts- und bildungspolitischen Normvorstellungen? Wie veränder(te)n Lehrpläne und die ihnen zugrunde liegenden Bildungsbegriffe, Bildungsziele und Bildungsstandards die Konzeptualisierung von Mehrdeutigkeit in der Unterrichtspraxis? In welchem Spannungsverhältnis steht die Vermittlung von Ambiguitätskompetenz zu Forderungen nach Ambiguitätsreduktion in der Schule?

Panels und Workshops im Themenbereich 4: Gesellschaftliche Zugänge