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Osteuropa und Afrika, zwei Weltregionen, die beide als Peripheren wahrgenommen wurden und werden. Das Stigma der "Peripherie" führte zur Unsichtbarmachung bzw. Unsichtbarkeit der Menschen aus diesen Regionen und ihres Zusammentreffens. Die zwischenmenschlichen Berührungspunkte zwischen Afrika und Osteuropa waren in den letzten zwei Jahrhunderten jedoch vielfältig. In dem geplanten Panel sollen Biografien von in Osteuropa sozialisierten Afrikaner:innen aus dem 19. und 20. Jahrhundert sichtbar gemacht werden. Dabei werden die Viten von in der Schwarzmeerregion lebenden Zuaven aus den 1860er-Jahren und diejenigen von nigerianischen Studierenden in der Sowjetunion (1960-1991) diskutiert. Während des Krimkrieges (1853-1856) warb die französische Armee tausende Mitglieder des algerischen Berber-Gebirgsstamms Zuaoua an, die sich nach ihrem Söldnerdienst 1856 teilweise in Osteuropa niederliessen. In der Sowjetunion studierten während des Kalten Krieges über 40 000 junge Frauen und Männer aus Afrika. Anhand von Bildern und Fotografien aus Privatarchiven, Zeitungsartikeln, Memoiren und im Falle der nigerianischen Studierenden Oral History Interviews, werden die Menschen hinter den Zahlen in dem Panel ans Licht gebracht bzw. sichtbar gemacht. Die Auseinandersetzung mit den Biografien ermöglicht neue Aufschlüsse über die vielfältigen Begegnungen und Verflechtung zwischen Afrika und Osteuropa.
Relevanz und Output
Dieses Panel nimmt sich den zwei Weltregionen Afrika und Osteuropa an und bringt sie in Berührung. Anhand der Biografien von afrikanischen Söldnern und Studierenden, mit einer zeitlichen Spanne von über einem Jahrhundert, werden Lebenswege, Erfahrungen und Erinnerungen aus der Peripherie ins Zentrum gerückt. Dieses Novum ermöglicht es dem eurozentristischen Blick entgegenzuwirken, neue Perspektiven sichtbar zu machen und zwei «periphere Regionen» zusammenzuführen.
08:00 Uhr
Zouaves invisibles? Lebenswelten von Krimkriegssöldnern in den 1850er- und 1860er-Jahren
Valeria Vollmer | Universität Zürich
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Autor:in:
Valeria Vollmer | Universität Zürich
Während des Krimkrieges (1853-1856) warb die französische Armee Mitglieder des algerischen Berber-Gebirgsstamms Zuaoua an. 1852 schuf Napoléon III. drei Zuaven-Regimenter, die sich aus Soldaten aus der Maghreb-Region und Metropolitan-Frankreich zusammensetzen. Alle drei Zuaven-Regimenter wurden 1854 auf den nordöstlichen Balkan und die Krim gesandt. Vereinzelte der aus der Region Kabylei stammenden Rekrutierten liessen sich nach 1856 in Osteuropa nieder. Das Zuavenbild des späten 19. Jahrhundert mäanderte in Westeuropa zwischen einer Faszination für orientalistisch dargestellte Fremdenlegionäre und einer «Glorifizierung» der aus Osteuropa rückkehrenden Metropolitan-Zuaven. Dadurch wurde in erster Linie die aus Europa stammenden Zuaven in der Erinnerungsgeschichte sichtbar gemacht. Wie kann es der Historik des 21. Jahrhunderts gelingen, dass auch die aus Afrika rekrutierten Zuaven, deren Lebensmittelpunkte nach 1850 in Osteuropa waren, mehr Sichtbarkeit erlangen könnten?
08:20 Uhr
Leben und Lernen hinter dem Eisernen Vorhang: Nigerianische Studierende in der Sowjetunion (1960-1991)
Derya Bozat | Universität Bern
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Autor:in:
Derya Bozat | Universität Bern
Zwischen 1960 und 1991 absolvierten über 43.500 Studierende aus Subsahara-Afrika ein Studium an sowjetischen Universitäten, wobei 12 Prozent aus Nigeria kamen. Die erhaltenen Stipendien waren Teil der sowjetischen 'Bildungscharmeoffensive' für eine pro-sowjetische Elite im postkolonialen Afrika. Die zwischenmenschlichen Erfahrungen nigerianischer Studierender in der Sowjetunion wurden bisher wenig erforscht, insbesondere in Bezug auf Freundschaften, Liebe und Rassismus. Mein Panel auf den Siebten Schweizerischen Geschichtstagen wird sich diesem Forschungsdesiderat annehmen, da das tägliche Leben eng mit zwischenmenschlichen Begegnungen verbunden war. Durch Oral History Interviews und Fotografien aus Privatarchiven sollen persönliche Erfahrungen erfasst werden, um die "unsichtbaren" Beziehungen hinter dem Eisernen Vorhang sichtbar zu machen.