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Als sich in den 1970er und 1980er Jahren die ersten grünen Parteien in Deutschland, Österreich und der Schweiz bildeten, war keinesfalls vorprogrammiert, dass diese neue politische Kraft einen linken Kurs einschlagen würde. Verfolgten doch einige der einflussreichsten Köpfe der grünen Bewegung, wie Herbert Gruhl, Alexander Tollmann oder Valentin Oehen, eine konservative bis rechtsextreme Agenda. Sie waren Teil einer ökologischen Rechten, die bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert Naturvorstellungen mit rechtskonservativen Werten, völkischem Blut-und-Boden-Denken, eugenischer Bevölkerungspolitik und antisemitischen Feindbildern verknüpfte. Obwohl Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen seit den 1970er Jahren immer wieder auf diese Kontinuitäten hinweisen, gilt der Natur- und Umweltschutz in der öffentlichen Wahrnehmung sowie dem Selbstbild dieser Bewegungen bis heute als typisch linkes Anliegen. Die Nichtbeachtung oder Verdrängung rechtsökologischer Strömungen führt mitunter dazu, dass Teile der grünen Bewegungen nach wie vor sozialdarwinistische sowie neomalthusianische Naturkonzepte oder auch eugenische Ideen und antisemitische Stereotype inkludieren können.
Das vorliegende Panel widmet sich der Frage nach der Bedeutung des bis heute andauernden Einflusses der ökologischen Rechten auf die Natur- und Umweltschutzbewegungen in Europa. Dabei stellt sich außerdem die Frage, warum es der Geschichtsforschung bisher nicht gelungen ist, diese Zusammenhänge umfassend in der Geschichte der Umweltbewegungen zu verankern. Ist das etwa auf ein Forschungsdefizit zurückzuführen, das sowohl die Umweltgeschichte als auch die Geschichte des Rechtsextremismus nach 1945 betrifft, oder wurden rechte Strömungen bewusst verdrängt und damit unsichtbar gemacht? Welche Möglichkeiten bestehen, diese Wissenslücke im Rahmen wissenschaftlicher Studien als auch durch Bildungs- und Public History-Angebote zu schliessen?
Diesem Thema der Unsichtbarkeit und Unsichtbarmachung widmet sich das Panel besonders auch mit Fokus auf die Frauen- und Geschlechtergeschichte. Sowohl die Rolle von Frauen in rechtsökologischen Gruppierungen sowie rechte und essentialistische vergeschlechtlichte Diskurse werden dabei in den Blick genommen. Die Bildwelten, die damit einhergehen und aktiv instrumentalisiert werden, können mithilfe einer geschlechterhistorischen Perspektive dekonstruiert werden. Frauen unterliegen außerdem einer doppelten Unsichtbarmachung, weil sie sowohl in der Umweltgeschichte als auch in der Geschichte des Rechtsextremismus bisher wenig beachtet wurden. Aber gerade die ökologische Rechte bot Frauen wie Ursula Haverbeck oder Renate Haußleiter-Malluche die Möglichkeit, sich aktiv in die Bewegungsarbeit einzubringen.
Das Panel verbindet somit den Aspekt der Unsichtbarkeit bzw. Unsichtbarmachung rechter Tendenzen in der Umweltbewegung und in Umweltdiskursen mit Perspektiven aus der Rechtsextremismusforschung und Geschlechtergeschichte.