Häusliche Gewalt in der Gesundheitsberichterstattung (GBE)
Das Thema häusliche Gewalt ist ein schwieriges Kapitel in der GBE in Deutschland. Von der Theorie her soll die Gesundheitsberichterstattung Daten aus der Regelstatistik verwenden, um auf besonderen regionalen bzw. lokalen Problemlagen hinzuweisen, damit diesen mithilfe von geeigneten Maßnahmen begegnet werden können. Dank des hiesigen Datenschutzes ist dies in Deutschland nur eingeschränkt möglich. Zu den gesundheitlichen Folgen häuslicher Gewalt gibt es in Deutschland keine Regelstatistik. Zum Vorkommen gibt es lediglich die Statistik der Polizei, die jedoch nur greift, wenn es zur Anzeige kommt.
In diesem Workshop wird eingangs generell auf die Datenlage zur häuslichen Gewalt in der GBE eingegangen, sowie anhand der polizeilichen Statistik die Entwicklung der häuslichen Gewalt in Berlin im Zuge des 2020er Lockdowns dargelegt. Im zweiten Beitrag werden die gegenwärtigen Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Kodierung von häuslicher Gewalt anhand der internationalen Systematik für die Klassifizierung von Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10) diskutiert. Der dritte Beitrag betrifft die Entwicklung eines „minimal data sets" zur Dokumentation häuslicher und sexualisierter Gewalt in der gesundheitlichen Versorgung.
11:45 Uhr
Häusliche Gewalt in der Gesundheitsberichterstattung im Bezirk Mitte von Berlin
Jeffrey Butler | Bezirksamt Mitte von Berlin | Germany
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Autor:in:
Jeffrey Butler | Bezirksamt Mitte von Berlin | Germany
Hintergrund:
Die Beschäftigung mit der häuslichen Gewalt hat eine lange Tradition in der Gesundheitsberichterstattung in Mitte. Bereits im Vorfeld eines Berichts aus dem Jahre 2006 wurden die Unzulänglichkeiten der amtlichen Statistik im gesundheitlichen Bereich (ICD 10) deutlich sichtbar.
Methoden
Nachdem klar wurde, dass die Abbildung der gesundheitlichen Auswirkungen häuslicher Gewalt durch die Statistik der gesundheitlichen Versorgung nicht möglich war, wurde auf die polizeiliche Statistik ausgewichen. Somit hatten wir mindestens eine empirische Datenbasis, um Unterschiede in der kleinräumlichen Betroffenheit zu visualisieren.
Diskussion: Obgleich die polizeiliche Statistik mit Sicherheit eine Unterschätzung der Problemlage darstellt, gibt sie mindestens ein Bild von den kleinräumlichen Unterschieden in der Betroffenheit ab, die im Laufe der Jahre deutlich aussagekräftiger wurde. Interessant im Zuge des Lockdowns im Jahre 2020 ist die Tatsache, dass die Fälle der häuslichen Gewalt im Lande Berlin während des Lockdowns eher zurückgegangen sind, um dann die der Lockerung stärker zu steigen.
Ergebnisse: Da die amtliche Statistik im gesundheitlichen Bereich in Deutschland immer noch nicht geeignet ist, die Auswirkung häuslicher Gewalt abzubilden, liefert die polizeiliche Statistik mindestens die Möglichkeit, ein (unvollständiges) Bild der unterschiedlichen Betroffenheit zu zeichnen.
12:00 Uhr
ICD 10 - T 74 Codierung zur Dokumentation häuslicher Gewalt in der Gesundheitsversorgung?
Karin Wieners | S.I.G.N.A.L. e.V | Germany
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Karin Wieners | S.I.G.N.A.L. e.V | Germany
Es gibt wenige Daten zum (medizinischen) Versorgungsgeschehen bei häuslicher und sexualisierter Gewalt in Deutschland – Routinedaten fehlen vollständig. Bereits Anfang der 2000er Jahre wurde die Frage aufgeworfen, ob die T74 Codierung im ICD 10 genutzt werden kann um Daten zur Versorgung nach häuslicher/sexualisierter Gewalt zu erhalten. heute – 20 Jahre später – stellen wir die Frage erneut. Hat sich etwas geändert? Welche Chancen, welche Risiken bestehen heute?
Die ärztliche Mitteilungspflicht gegenüber den Krankenkassen wurde für Fälle von Misshandlungen und sexueller Gewalt zwischenzeitlich aufgehoben, bzw. an die Zustimmung der betroffenen Patient*innen gebunden (§294a SGB V). Wie wirkt sich dies auf eine mögliche Nutzung der T74 Codierung aus?
Im medizinischen Kinderschutz wird in Fällen von Kindesmisshandlung/sexuellem Missbrauch für die Nutzung der T74 Codierung geworben. Ist dies auf die Versorgung Erwachsener übertragbar?
12:15 Uhr
Entwicklung eines minimalen data sets für die Erhebung von häuslichen und sexualisierten Gewalt in der Versorgung
Katrin Wolf | Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin | Germany
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Katrin Wolf | Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin | Germany
Hintergrund: Die Datenlage in der gesundheitlichen Versorgung im Zusammenhang mit Fällen häuslicher und sexualisierter Gewalt ist bisher außerordentlich begrenzt. Ziel der Fachgruppe Datenerhebung/Forschung des Runden Tisches ist u.a. die Entwicklung von Empfehlungen, welche versorgungsbezogenen Daten erhoben werden sollten, um die Umsetzung der WHO-Leitlinie zu fördern.
Methoden In den Entwurf eines „minimal data sets" zur häuslichen und sexualisierten Gewalt in der Versorgung sind rechtliche Vorgaben (Istanbul Konvention), internationale Studienergebnisse/Empfehlungen und die Expertise der Fachgruppen-Teilnehmer:innen eingeflossen.
Diskussion: Das Datenset wird im Rahmen der Veranstaltung vorgestellt und mit der Fachöffentlichkeit auch im Hinblick auf eine routinehafte Datenerhebung in den unterschiedlichen Versorgungssettings zur Diskussion gestellt.
Ergebnisse: Das Ergebnis der Diskussionen mit der Fachöffentlichkeit soll erst einmal probeweise in der Arbeit des Zentrums für sexuelle Gesundheit und Familienplanung im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg getestet und anschließend eventuell angepasst werden.