Hintergrund und Zielstellung
Unbehandelte Ängste und unerkannte psychologische Bedarfe können den Verlauf und den Krankheitsbewältigungsprozess kardiovaskulärer Erkrankungen negativ beeinflussen (Piepoli et al. 2016; Fuchs-Strizek und Berger 2018; Herrmann-Lingen 2019). Deshalb wird ein Screening auf Angst- und Depressionssymptome als sekundärpräventive Maßnahme in der Rehabilitation empfohlen (Piepoli et al. 2016). Dennoch werden psychologische Bedarfe oftmals nicht adäquat adressiert (Csef 1996; Herrmann-Lingen 2019). Insbesondere vor dem Aspekt der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der gesellschaftlichen Teilhabe sollten diese Bedarfe in der kardiologischen Rehabilitation erfasst und behandelt werden.
Gegenstand dieser Untersuchung war die Frage, ob Patienten, die in der stationären kardio-logischen Rehabilitation einen Bedarf an psychologischer Unterstützung melden, eine messbar höhere Herzangst aufweisen. Der Einsatz eines Fragebogen-Sets diente einer Erprobung der Erweiterung bisheriger Ansätze in der Rehabilitation, die auf die Bedarfsäußerung durch die Patienten begrenzt sind. Ziel der Studie war die Verbesserung der Identifikation und Versorgung von Patienten mit Herzangst. Dadurch sollte einer möglichen Fehlversorgung entgegengewirkt werden, die sich in der Rehabilitation letztlich auch auf die Erwerbsprognose als wichtiges Outcome auswirkt.
Methoden
Die Ergebnisse basieren auf einer unizentrischen Querschnittsstudie in der Rehabilitationsklinik Roderbirken. Eingeschlossen wurden Patienten mit koronarer Herzerkrankung im Alter von 18 bis 63 Jahren, die noch nicht berentet waren. Während des stationären Rehabilitationsaufenthaltes erfolgte eine einmalige Befragung mittels eines Fragebogen-Sets bestehend aus dem Herzangstfragbogen (HAF), dem Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D) sowie einem Teilscore des Screening-Instruments Beruf und Arbeit in der Rehabilitation (SIBAR). Ergänzt wurden diese Angaben um anamnestische Diagnosen und soziodemographischen Daten sowie um die Angabe nach dem geäußerten psychologischen Unterstützungsbedarf, welcher routinemäßig im ärztlichen Aufnahmegespräch erhoben wird.
Ergebnisse
Insgesamt konnten 507 Patienten in die Befragung eingeschlossen werden (Response 63,5%; 82,6% Männer, mittleres Alter 54,4 ± 7,1 Jahre). Von diesen meldeten 40% einen Bedarf an psychologischer Unterstützung an. Bei 16% aller Patienten lag eine klinisch relevante Herzangst nach dem HAF vor, von denen wiederum 59% einen Bedarf an psychologischer Unterstützung anmeldeten.
Es zeigte sich, dass insbesondere Patienten mit diagnostizierten F-Diagnosen Unterstützungsbedarf äußern. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass die subjektive Erwerbsprognose im Zusammenhang mit der Herzangst, der Depressionssymptomatik sowie der Bildung und der beruflichen Situation, jedoch nicht mit den somatischen Aufnahmediagnosen steht.
Diskussion und Fazit
Die Ergebnisse belegen psychologische Unterstützungsbedarfe in der kardiologischen Rehabilitation. Ein erhöhter Bedarf aufgrund von Herzangst konnte nicht aufgezeigt werden.
Es zeigte sich zudem, dass Patienten, die einen Bedarf an psychologischer Unterstützung äußern, höhere Angstwerte nach HAF und HADS aufwiesen.
Ziel der Rehabilitationsmaßnahme ist die Wiederherstellung bzw. der Erhalt der Arbeitsfähigkeit der Patienten. Die daher betrachtete subjektive Erwerbsprognose scheint mit der Herzangst, aber mehr noch mit der Depressionssymptomatik assoziiert zu sein. Beobachtet werden konnte auch ein Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen und Faktoren. Entsprechend stieg das Frühberentungsrisiko mit dem Schweregrad der Depressionssymptome an. Unterschiede zeigten sich auch für die schulische und berufliche Ausbildung sowie die berufliche Situation bzw. Arbeitslosigkeit. Ein Zusammenhang mit somatischen Indikationen konnte in dieser Stichprobe nicht gefunden werden. Ein Grund dafür ist möglicherweise die Homogenität der Stichprobe bezüglich der Diagnosen bei Aufnahme und der Komorbiditäten.
In weiteren Projekten sollte der Einfluss der psychologischen Unterstützung auf die nachhaltige Besserung der Angst- bzw. Depressionsproblematik und damit auf die mittel- und langfristige Erwerbsprognose untersucht werden.
Literatur
Csef H. (1996): Psychosomatik und Psychotherapie der Herzangst-Syndrom. Deutsche Medizinische Wochenschrift,121. 771-776
Fuchs-Strizek R., Berger T. (2018): Psychokardiologie in der stationären Rehabilitation. Wiener Medi-zinische Wochenschrift, 168. 31-38
Herrmann-Lingen C. (2019): Psychokardiologie – aktuelle Leitlinien und klinische Realität. Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 69. 237-252
Piepoli M. F., Hoes A. W., Agewall S. et al. (2016): 2016 European guidelines on cardiovascular dis-ease prevention in clinical practice: The Sixth Joint Task Force of the European Society of Cardiology and other Societies on Cardiovascular Disease Prevention in Clinical Practice (constituted by repre-sentatives of 10 societies and by invited experts). Developed with the special contribution of the European Association for Cardiovascular Prevention & Rehabilitation (EACPR). European Heart Journal, 37. 2315 – 2381.
Hintergrund und Zielstellung
Es wird angenommen, dass bis zu 50 Prozent aller Menschen mit chronischen Erkrankungen ihre ärztlich verordnete Medikation nicht oder nur unregelmäßig einnehmen (Laufs et al., 2011). In Abgrenzung zum Begriff Compliance (paternalistischer Ansatz) wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter Adhärenz „the extent to which a person´s behaviour – taking medication, following a diet, and/or executing lifestyle changes, corresponds with agreed recommendations from a health provider (WHO, 2003)“ verstanden und bezieht die Verantwortung des Arz-tes für den Aufbau einer guten Arzt-Patient-Beziehung sowie die Beteiligung der Patienten an der therapeutischen Entscheidungsfindung ausdrücklich mit ein (partizipativer Ansatz). Es liegt insgesamt wenig Wissen darüber vor, inwiefern eine mangelnde Medikamentenadhärenz für den Kontext der medizinischen Rehabilitation von Bedeutung ist. Die vorliegende Studie untersuchte Förderfaktoren und Barrieren bezüglich der Umsetzung von ärztlich verordneter Medikation bei Rehabilitanden mit kardiologischen Erkrankungen in der medizinischen Rehabilitation.
Methoden
Es wurden 22 Rehabilitanden mit kardiologischen Erkrankungen in der medizinischen Rehabilitation mit Hilfe eines leitfadengestützten Interviews befragt. Alle Interviews wurden digital aufgezeichnet und wörtlich transkribiert. Die Analyse der Interviews erfolgte softwaregestützt (MAXQDA 12) nach dem zusammenfassenden inhaltsanalytischen Ansatz von Mayring (Mayring, 2015). Die Hauptkategorien (Barrieren/ Förderfaktoren) wurden deduktiv, die Subkategorien induktiv entwickelt.
Ergebnisse
Es wurden insgesamt 698 Textstellen in 22 Dokumenten codiert, im Durchschnitt 32 pro Interview (SD=13.2; Range 12-65) (Quaschning & Körner, 2020). Die in der Hauptkategorie Barrieren vergebenen 370 Nennungen verteilen sich auf 13 Subkategorien, die in der Hauptkategorie Förderfaktoren vergebenen 328 Aussagen auf 14 Subkategorien. Eine tabellarische Übersicht zu den einzelnen Subkategorien mit ausgewählten Beispielen finden sich in den Tabellen 1 und 2.
Diskussion und Fazit
Die Befunde legen nahe, dass eine mangelnde Medikamentenadhärenz vor allem durch ein individualisiertes Barrierenmanagement, das auf mehreren Ebenen ansetzen muss, verbessert werden kann. Im Rahmen der Ergebnisvorstellung werden Lösungsansätze zur Verbesserung der Medikamentenadhärenz vorgestellt.
Literatur
Laufs U., Böhm M., Kroemer HK., et al. (2011). Strategien zur Verbesserung der Einnahmetreue von Medikamenten. Deutsche Medizinische Wochenschrift. 136 (31-32): 1616-1621. doi:10.1055/s-0031-1281566
Mayring, P. (2015). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 12. Aufl. Weinheim: Beltz.
Quaschning, K. & Körner, M. (2020). Förderfaktoren und Barrieren zur Medikamentenadhärenz von Rehabilitanden mit kardiologischen Erkrankungen – eine qualitative Analyse. Die Rehabilitation.59: 1–8. doi 10.1055/a-1242-9562
World Health Organization. Adherence to long-term therapies. Evidence for action (2003). Geneva: World Health Organization.
Hintergrund und Zielstellung
Wir prüften die Implementierung eines auf der Akzeptanz- und Commtment Therapie (ACT; Hayes et al., 2011) basierenden Gruppentherapiekonzeptes für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Setting der kardiologischen Rehabilitation. Das Rehabilitationsformat entspricht der Vorgaben der Deutschen Rentenversicherung Bund für die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation (VOR; Worringen, 2014) Dazu wurde die patientenberichtete verhaltensmedizinische Behandlungsdosis sowie die Genauigkeit der Umsetzung des therapeutischen Konzeptes erfasst. Ferner wurde überprüft, ob die nach dem Konzept der verhaltensmedizinisch orientierten Rehabilitation in der Kardiologie (VOR-Kardio) erbrachten therapeutischen Leistungen mit einer deutlicheren Reduktion der Herzangst und mit einer verbesserten psychischen und körperlichen Befindlichkeit der Rehabilitanden einhergingen.
Methoden
Die Teilnehmer unserer Prozessevaluationsstudie wurden in der neu implementierten verhaltensmedizinischen Kardiologie (VOR-Kardio; n = 149) oder einer regulären kardiologischen Heilbehandlung (KHB; n = 100) behandelt. Wir prüften die Genauigkeit der Konzeptumsetzung in der VOR-Kardio sowie in beiden Behandlungsgruppen die patientenberichtete verhaltensmedizinische Behandlungsdosis und die Veränderungen vom Rehabilitationsbeginn bis zur Entlassung aus der Rehabilitation bezüglich der psychischen Befindlichkeit und der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Ergebnisse
Die durchgeführten Adhärenzratings zeigten eine weitgehend konzeptgetreue Umsetzung des Ansatzes. Die in der VOR-Kardio behandelten Rehabilitanden bestätigten mehr verhaltensmedizinische Inhalte eine höhere Konsistenz der verhaltensmedizinischen Strategie und einen stärkeren Kompetenzgewinn. In beiden Behandlungsgruppen verbesserten sich sowohl die psychische als auch die körperliche Befindlichkeit der Teilnehmer. Die in der VOR-Kardio erreichten Effektstärken waren denen in der KHB erreichten überlegen. Große oder annähernd große Effekte wurden in der VOR-Kardio für das Vermeidungsverhalten bei Herzangst (d = 0,78), für Somatisierung (d = 0,82), Depressivität (d = 0,76) und Ängstlichkeit (d = 0,72) sowie für die Ergometerleistung (d = 0,86) erzielt. Der Vergleich der in beiden Behandlungsgruppen berechneten prä-post-Differenzen ergab für die Herzangst (t = 2,500; p < .05) und für die erwartete Selbstwirksamkeit für die Teilnahme an Sportaktivitäten nach der Rehabilitation (t = 1,974; p = .05) statistische Signifikanz. Bei der Herzangst war die Reduktion des Vermeidungsverhaltens in der VMK stärker ausgeprägt als in der KHB (t = 2,205; p < .05).
Diskussion und Fazit
Alle aus der ACT-Perspektive als wichtig erachteten Aspekte fanden in den psychologischen Gruppengesprächen Berücksichtigung. Die meiste Berücksichtigung fand die inhaltliche Bearbeitung der Werteorientierung, die wiederum die Voraussetzung für die Ableitung individuell sinnvoller Verhaltensänderungen bildete. Achtsamkeitsübungen wurden ebenfalls immer begleitend durchgeführt. Dem ACT-Konzept entsprechend wurde auch die Akzeptanz negativer Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen fast durchgehend in den Gruppensitzungen adressiert.
Von den in der VOR-Kardio behandelten Patienten wurden die intendierten Inhalte tatsächlich in größerem Ausmaß wahrgenommen als von den in der KHB behandelten Patienten. Vor allem die biopsychosozialen Zusammenhänge lassen sich in der verhaltensmedizinisch orientierten Rehabilitation offensichtlich besser vermitteln. Jene Inhalte, von denen theoretisch angenommen wird, dass sie bei der Verarbeitung einer kardialen Erkrankung hilfreich sind, erreichten die Patienten somit in der VMK besser als in der regulären KHB.
Die herzbezogenen Ängste reduzierten sich während der Rehabilitation in beiden Gruppen auf das Niveau gesunder Vergleichsgruppen, wobei in der VOR-Kardio größere Effekte erzielt wurden als in der KHB. Die verhaltensmedizinische Behandlung scheint somit die auf die Herzängste bezogene Gesundung gut zu unterstützen. Effekte, wie sie in einer herkömmlichen kardiologischen Heilbehandlung erzielt werden, sind mindestens auch im Rahmen einer verhaltensmedizinisch orientierten kardiologische Rehabilitation zu erwarten. Die explizite Verhaltensorientierung des ACT-Ansatzes könnte dazu beigetragen haben, dass das herzangstbezogene Vermeidungsverhalten in der VMK besonders deutlich reduziert werden konnte und parallel Selbstwirksamkeitserwartungen für sportliche Aktivitäten aufgebaut werden konnten.
Den Ergebnissen unserer Studie zufolge ist ein verhaltensmedizinisch orientiertes Konzept auf der Grundlage der Akzeptanz- und Commitment-Therapie im Kontext der kardiologischen Rehabilitation umsetzbar. Ein nächster Schritt wäre eine empirische Überprüfung der Wirksamkeit dieses Ansatzes bei einer entsprechenden Risikopopulation idealer Weise in Form einer multizentrischen und randomisierten kontrollierten Studien mit einer ausreichenden Zahl an eingeschlossenen Rehabilitand*innen und einem Nachbeobachtungszeitraum von einem Jahr.
Literatur
Hayes, S.C., Strosahl, K.D., Wilson, K.G. (2011). Akzeptanz- und Commitment-Therapie. München: CIP-Medien.
Worringen, U. (2014). Rahmenkonzept der Deutschen Rentenversicherung für die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation (VOR). Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund.
Hintergrund und Zielstellung
Durch die multimodale kardiologische Rehabilitation (CR) sollen eine Verbesserung sowohl der klinischen Prognose als auch der gesundheitsbezogenen Lebensqualität sowie die soziale Wiedereingliederung erreicht werden (Piepoli et al. 2010), wobei der Erfolg einer solchen Maßnahme von vielfältigen Faktoren abhängt (Bhattacharyya et al. 2007). Ziel der Registerstudie war es, den Einfluss von modifizierbaren patientenberichteten Parametern („patient-reported outcomes“) wie auch kardiovaskulären Risikofaktoren und Messgrößen der körperlichen Leistungsfähigkeit auf den Status der beruflichen Wiedereingliederung und die Lebensqualität 6 Monate nach der CR systematisch zu untersuchen.
Methoden
Von Mai 2017 bis Mai 2018 wurden in 12 Rehabilitationszentren bundesweit 1,586 Patienten unter 65 Jahren unabhängig von ihrer Indikationsdiagnose in die prospektive Beobachtungsstudie eingeschlossen. Neben Basisvariablen (z. B. Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Diagnosen) und Angaben zur Rehabilitation (z. B. Art des Antragsverfahrens, stationäre/ambulante Durchführung) wurden Parameter zum Risikofaktorenmanagement (Rauchverhalten, Blutdruck, Lipide, Motivation zur Lebensstiländerung) und der körperlichen Leistungsfähigkeit (maximale Belastbarkeit in der Belastungsergometrie, Ausdauertrainingsbelastung, 6-min Gehstrecke) sowie patientenberichtete Parameter (Depressivität, Herzangst, gesundheitsbezogene Lebensqualität, subjektives Wohlbefinden, somatische und psychische Gesundheit, Schmerzen, allgemeine Selbstwirksamkeit, die Selbsteinschätzung der gesundheitlichen bzw. beruflichen Prognose sowie Rentenbegehren mittels verschiedener standardisierter Fragebögen) zu Beginn und zum Ende der Reha-Maßnahme erhoben. 6 Monate nach Entlassung wurden der Status der beruflichen Wiedereingliederung sowie die Lebensqualität (psychische und körperliche Summenskala im SF-12) in einer schriftlichen Nachbeobachtung erfragt und in multivariablen Regressionsmodellen analysiert.
Ergebnisse
Von den eingeschlossenen Patienten antworteten 1,262 auf die Nachbefragung und wurden hinsichtlich der Endpunkte analysiert. Diese Patienten (54 ± 7 Jahre, 77 % männlich) wurden der CR überwiegend nach akutem Myokardinfarkt (40 %) oder koronarer Herzerkrankung ohne Myokardinfarkt (18 %), gefolgt von Herzklappenerkrankungen in 12 % der Patienten und Bypass-OP (8 %) zugewiesen. Die Reha erfolgte zu 83 % als Anschlussrehabilitation und in 92 % der Fälle stationär.
864 Patienten (69 %) kehrten während der Nachbeobachtungszeit von im Mittel 7,6 Monaten in den Beruf zurück. 67 Patienten (5 %) waren inzwischen berentet, während weitere 79 (6 %) eine Rente beantragt hatten. 89 Patienten (7 %) waren arbeitslos und 190 (15 %) gaben an, immer noch krankgeschrieben zu sein. Ein Rentenwunsch des Patienten wie auch eine negative Selbsteinschätzung der beruflichen Prognose, herzbezogene Angst, kritische Lebensereignisse im Jahr vor der Reha, Rauchen und Herzinsuffizienz waren negativ mit der beruflichen Wiedereingliederung assoziiert, während eine höhere Ausdauertrainingsbelastung und Lebensqualität im SF-12 und Arbeitsstress einen positiven Einfluss hatten (Abbildung). Die gesundheitsbezogene Lebensqualität nach 6 Monaten wurde ihrerseits in erster Linie durch patientenberichtete Parameter bestimmt (v. a. Rentenwunsch, herzbezogene Angst, körperliche/psychische HRQL im SF-12, körperliche/psychische Gesundheit im IRES-24, Stress, Wohlbefinden im WHO-5 und Selbstwirksamkeit).
Diskussion und Fazit
Sowohl die berufliche Wiedereingliederung als auch die körperliche und die psychische gesundheitsbezogene Lebensqualität ein halbes Jahr nach der kardiologischen Rehabilitation waren vorwiegend durch patientenberichtete Parameter bestimmt, wobei ein bestehender Rentenwunsch des Patienten und die herzbezogene Angst einen dominanten Einfluss auf alle untersuchten Endpunkte hatten. Darüber hinaus wirkten sich auch Änderungen der patientenberichteten Parameter während der Reha auf die berufliche und gesundheitliche Prognose aus. Dies unterstreicht die Bedeutung des multimodalen transprofessionellen Ansatzes der kardiologischen Rehabilitation.
Literatur
Bhattacharyya, M. R., Perkins-Porras, L., Whitehead, D. L. & Steptoe, A. (2007). Psychological and clinical predictors of return to work after acute coronary syndrome. European heart journal 28 (2), 160–165. doi:10.1093/eurheartj/ehl440
Piepoli, M. F., Corrà, U., Benzer, W., Bjarnason-Wehrens, B., Dendale, P., Gaita, D., McGee, H., Mendes, M., Niebauer, J., Zwisler, A.-D. O. & Schmid, J.-P. (2010). Secondary prevention through cardiac rehabilitation: from knowledge to implementation. A position paper from the Cardiac Rehabilitation Section of the European Association of Cardiovascular Prevention and Rehabilitation. European journal of cardiovascular prevention and rehabilitation : official journal of the European Society of Cardiology, Working Groups on Epidemiology & Prevention and Cardiac Rehabilitation and Exercise Physiology 17 (1), 1–17. doi:10.1097/HJR.0b013e3283313592
Hintergrund und Zielstellung
Eine Lebensstiländerung ist ein wichtiger Ansatz in der Rehabilitation von vielen chronischen Erkrankungen. Dies betrifft beispielsweise den Abbau von Risikoverhaltensweisen bei kardialen Rehabilitanden oder den Aufbau eines aktiven Lebensstils bei Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen. Für Selbstmanagement-Interventionen (wie Patientenschulungen) wird häufig ein Einbezug der Angehörigen empfohlen, da diese einen Einfluss auf eine nachhaltige Verhaltensänderung haben können (Deutsche Rentenversicherung, o.a.; Kleinecke et al., 2016). Familienangehörige, insbesondere der Lebenspartner, sind die häufigste Quelle sozialer Unterstützung (Lüscher & Scholz, 2018). Für die medizinische Rehabilitation in Deutschland liegen nur wenige Studien zu sozialer Unterstützung bzw. zur Relevanz der Angehörigen in Bezug auf die Lebensstiländerung vor (Rennert et al., 2013; Romppel et al., 2013). Die Rolle von Angehörigen ist noch wenig untersucht. Auch sind keine spezifischen Interventionen verfügbar.
In einer Studie wurden daher die subjektive Relevanz des Einbezugs von Angehörigen und der Bedarf an spezifischen Interventionen unter Beteiligung von Angehörigen aus der Sicht von Rehabilitanden und deren Lebenspartnern explorativ untersucht. Die folgenden Hauptfragestellungen wurden geprüft:
F1: Wie hoch ist der Anteil an Rehabilitanden die einen Unterstützungsbedarf durch den Lebenspartner bei einer Lebensstiländerung haben? Welcher Unterstützungsbedarf besteht aus Sicht der Rehabilitanden und der Lebenspartner?
F2: Wie hoch ist der angehörigenbezogene Interventionsbedarf? Welcher Bedarf an angehörigenbezogenen Interventionen liegt aus Sicht der Rehabilitanden und deren Lebenspartner vor?
Methoden
In einer Bedarfsanalyse wurden Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen oder mit koronarer Herzerkrankung am Ende der stationären medizinischen Rehabilitation sowie deren Lebenspartner nach Abschluss der Rehabilitation mittels Fragebogen befragt. Der Einschluss erfolgte konsekutiv in 3 Rehabilitationskliniken.
Es wurden Fragebögen für die Rehabilitanden und deren Lebenspartner entwickelt. Der Rehabilitanden-Fragebogen beinhaltet 13 Items zur Veränderungsmotivation hinsichtlich körperlicher Aktivität, Ernährung und Rauchstatus und 10 Items zum subjektiven Unterstützungsbedürfnis durch den Lebenspartner (F1). Der angehörigenbezogene Interventionsbedarf wird mit 2 Items zum Einbezug des Partners in die Reha und 21 Items zu Interventionsinteressen erfragt. Der Angehörigen-Fragebogen ist äquivalent aufgebaut und beinhaltet zusätzlich 2 Items zum Informations-/Kenntnisstand (F2). Einflussparameter wurden mit validierten Instrumenten erfasst: soziale Unterstützung, Gesundheitsverhalten, psychische Belastung, subjektiver Gesundheitszustand.
Zur Auswertung der Fragestellungen erfolgten deskriptive und inferenzstatistische Analysen in SPSS.
Die Stichprobe umfasst 228 Rehabilitanden (61% Orthopädie, 39% Kardiologie). Der Männeranteil war 61%, das Durchschnittsalter 56 Jahre (SD=6.6). Ein Drittel hatte einen Volks-/Hauptschulabschluss, 27% eine Fachhochschulreife bzw. Abitur/Hochschulreife. 87% waren erwerbstätig, 6% bereits berentet. Als letzte berufliche Stellung gaben drei Viertel Angestellte/r an. Ein medizinisches Heilverfahren erhielten 68%. Die Erkrankungsdauer war bei 69% über 1 Jahr. Es bestehen indikationsspezifische Unterschiede (Orthopädie: höherer Frauenanteil, geringeres Alter, längere Erkrankungsdauer, höherer Anteil an Heilverfahren).
Bei den 120 Lebenspartnern (56% Orthopädie, 44% Kardiologie) lag der Männeranteil entsprechend bei 39%, das Durchschnittsalter war 55 Jahre (SD=8.0). Etwa drei Viertel sind erwerbstätig.
Ergebnisse
F1: Subjektiver Unterstützungsbedarf: 92% der Rehabilitanden bewerten es als wichtig für ihr Gesundheitsverhalten nach der Reha, dass der Partner sie dabei aktiv unterstützt. 14% geben an, dass sie der Partner aktuell nicht ausreichend unterstützt. Auch 90% der Lebenspartner schätzen ihre aktive Unterstützung als wichtig für das Gesundheitsverhalten des Rehabilitanden ein. 8% sind der Ansicht, dass sie diesen aktuell nicht ausreichend unterstützen. Von beiden Zielgruppen werden emotionale, motivationale und instrumentelle Unterstützungsformen als hilfreich bewertet. Insbesondere, dass der Partner sich am Gesundheitsverhalten beteiligt und eine gemeinsame Umsetzung erfolgt.
F2: Angehörigenbezogener Interventionsbedarf: 73% der Rehabilitanden finden es für ihr späteres Gesundheitsverhalten wichtig, dass der Partner in die Rehabilitation einbezogen wird. Hingegen meinen 71%, dass der Lebenspartner nicht ausreichend in ihre Reha einbezogen wurde. Auch 75% der Lebenspartner geben an, dass sie nicht ausreichend einbezogen wurden. Im Gegensatz dazu fühlen sich aber 83% der Partner zufriedenstellend bis sehr gut über die Erkrankung des Rehabilitanden informiert.
Hinsichtlich möglicher angehörigenbezogener Interventionen besteht sowohl bei zumindest der Hälfte der Rehabilitanden als auch der Lebenspartner ein Interesse an themenbezogenem Informationsmaterial und schriftlichen Anleitungen sowie Informationsveranstaltungen oder gemeinsamen Gesprächen mit einem Therapeuten in der Klinik. Das höchste Interesse besteht jeweils an Informationen zu Gesundheitsangeboten am Wohnort für sich und den Lebenspartner (Rehabilitanden: 77%, Lebenspartner: 83%).
Diskussion und Fazit
Insgesamt zeigt die Bedarfsanalyse, dass sowohl bei den Rehabilitanden als auch bei deren Lebenspartnern eine hohe subjektive Relevanz der Unterstützung des Lebenspartners bei einer Lebensstiländerung vorliegt. Auch wird die subjektive Relevanz des Einbezugs des Partners in die Rehabilitation ersichtlich. Ein Interesse an verschiedenen angehörigenbezogenen Interventionen ist gegeben. Diese Ergebnisse können als Ansatzpunkte zur Entwicklung spezifischer Intervention genutzt werden.
Literatur
Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.) (ohne Angabe). Die Rolle der Angehörigen in der medizinischen Rehabilitation. Berlin: Hrsg. URL: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Experten/infos_reha_einrichtungen/gesundheitsbildung/download_angehoerige_reha.html, Abruf: 1.10.2019.
Kleineke, V.E., Menzel-Begemann, A., Wild, B., Meyer, T. (2016): Umweltfaktoren und Teilhabeförderung. Die Perspektive der medizinischen Rehabilitation. Bundesgesundheitsblatt, 59. 1139–1146.
Lüscher, J., Scholz, U. (2018): Soziale Unterstützung. In: Kohlmann, C.-W., Salewski, C., Wirtz, M.A. (Hrsg.): Psychologie in der Gesundheitsförderung. Bern: Hogrefe. 213-225.
Rennert, D., Mau, W., Lamprecht, J. (2013). Die nahestehende Person als Koproduzent des Rehabilitationserfolgs am Beispiel der Sportaktivität. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin, 23. 292-300.
Romppel, M., Gunold, H., Schubmann, R., Richter, C., Grande, G. (2013): Nachhaltige Lebensstilmodifikation bei Koronarer Herzkrankheit aus Patientensicht. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin, 23. 276-282.