Hintergrund und Zielstellung
Für die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen ist das personenbezogene Angebotswissen relevant. Bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation kann diesem Aspekt eine besondere Bedeutung zugemessen werden, da der Zugang eine Antragstellung seitens der Betroffenen voraussetzt und dies in der Regel mit einem angebotsbezogenem Abwägungs- und Entscheidungsprozess einhergeht. Im Zusammenhang mit dem Wissen und Verständnis zu medizinischen Rehabilitationsleistungen konzentrierten sich bisherige Studien überwiegend auf bereits beeinträchtigte Personen bzw. Personen im Vorfeld der Rehabilitationsinanspruchnahme. Es liegt nahe, dass eine konkrete Auseinandersetzung mit der medizinischen Rehabilitation dann stattfindet, wenn die eigene Gesundheitsbeeinträchtigung dies subjektiv erforderlich macht. Allerdings konnte gezeigt werden, dass für Betroffene die Unterstützung von Familien und Freunden beim Zugang zur medizinischen Rehabilitation eine wichtige Rolle spielt (Schmitt et al. 2020; Mohnberg et al; 2016) und somit ein Angebotswissen auch bei Personen relevant wird, die nicht direkter Adressat der Rehabilitationsleistung sind. Durch die Rehabilitationsträger werden Informationen zur medizinischen Rehabilitation breit zur Verfügung gestellt (u.a. via Internet, Kampagnen oder z.B. als Anlage im jährlichen Informationsschreiben zum kalkulierten Rentenanspruch). Dadurch kann grundsätzlich ein großer Personenkreis erreicht werden. Bisher ist aber kaum bekannt, welche Kenntnisse zur medizinischen Rehabilitation in der Bevölkerung vorhanden sind. Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen der Panelstudie ‚Health Related Beliefs and Health Care Experiences in Germany‘ (HeReCa; s.a.: Führer et al. 2020) mittels einmaliger Online-Erhebung die Kenntnisse zur ‚Medizinischen Rehabilitation‘ in einer Bevölkerungsstichprobe erhoben. Der vorliegende Beitrag stellt erste Ergebnisse zur subjektiven Informiertheit vor.
Methoden
Das HeReCa-Online-Panel befindet sich seit Ende 2019 im Aufbau und setzt sich aus einer bevölkerungsbasierten Zufallsstichprobe aus den Bundesländer Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zusammen (Stichprobenziehung über Einwohnermeldeämter von Personen im Alter von 18-79 Jahren; geschichtet nach Besiedelungsdichte der Gemeinden/Städte). Zwischen September und November 2020 erhielten 2.442 Panelteilnehmende einen Onlinezugang zum rehabilitationsbezogenen Fragebogen (via Limesurvey). Insgesamt 1.704 Personen (69,8 %) beteiligten sich an der Befragung. Für die vorliegende Analyse wurden davon Personen berücksichtigt, die laut Selbstauskunft bislang keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Anspruch genommen haben und mindestens 36 von 40 rehabilitationsbezogenen Fragebogenitems ausfüllten. Die subjektive Informiertheit wurde über Fragen zum selbsteingeschätzten Informationsgrad bezüglich der medizinischen Rehabilitation im Allgemeinen sowie aufgeschlüsselt bezüglich Ziele, Inhalte, Beantragung, Finanzierung und Konzeptvarianten einer medizinischen Rehabilitation erfasst (4er Likert-Skala: sehr gut – eher gut – eher schlecht – sehr schlecht). Ergänzend wurde erhoben, ob Rehabilitationserfahrung im näheren Umfeld der Befragten besteht und über welchen Weg sich die Befragten bei eigenem Rehabilitationsbedürfnis initial informieren würden. Die Auswertung erfolgte vorwiegend deskriptiv. Zusammenhänge zwischen subjektiver Informiertheit und Geschlecht/Alter wurden mittels Korrelationsanalyse (Chi-Quadrat/Rangkorrelation) untersucht.
Ergebnisse
Nach der Datenaufbereitung lagen Angaben von 1.018 Personen (56 % weiblich; Ø Alter = 49 ± 15 Jahre, Min-Max: 21-80 Jahre) vor. Jede*r dritte Befragte (77 %) gab an, eine Person im näheren Umfeld zu kennen, die bereits eine medizinische Rehabilitation in Anspruch genommen hat. Zum Thema ‚Medizinische Rehabilitation‘ fühlten sich 67 % der Befragten allgemein als eher schlecht oder schlecht informiert. Auch bezüglich der Beantragung (84 %), Finanzierung (83 %), Konzeptvarianten (77 %) sowie rehabilitativen Inhalte (71 %) beurteilten sich die Mehrheit als eher schlecht oder schlecht informiert. Bezüglich der Ziele einer Rehabilitation bewerteten sich dagegen die Mehrheit (64 %) als gut oder sehr gut informiert. Frauen und Personen höheren Alters sahen sich in mehreren Aspekten als etwas besser informiert. Sollte ein Rehabilitationsbedarf eintreten, benannte der überwiegende Teil der Befragten Haus- bzw. Fachärzt*innen (74 %) als erste Anlaufstelle zur Informationsgewinnung, 14 % benannten das Internet und 12 % einen Rehabilitationsträger (Kranken- oder Rentenversicherung).
Diskussion und Fazit
Die Analyse liefert wichtige, erste Eindrücke zum rehabilitationsbezogenem Angebotswissen in einer größeren Bevölkerungsstichprobe ohne eigene Rehabilitationserfahrung. Etwa zwei Drittel der Befragten nehmen demnach ein eigenes Informationsdefizit hinsichtlich medizinischer Rehabilitationsangebote wahr. In diesem Zusammenhang unterstreichen die Ergebnisse die erwartungsgemäß wichtige Schlüsselrolle von Haus- und Fachärzt*innen als Anlaufstelle für rehabilitationsbezogene Informationen. Weitere Analysen werden klären, inwieweit sich diese selbsteingeschätzten Informationsdefizite auch in den Vorstellungen zur Rehabilitationsbedürftigkeit und zur rehabilitativen Angebotsausgestaltung der Befragten widerspiegeln. Dies wird weitere Erkenntnisse dazu liefern, welches Verständnis zur medizinische Rehabilitation in der Bevölkerung besteht.
Literatur
Führer, A., Frese, T., Karch, A., Mau, W., Meyer, G., Richter, M., Schildmann, J., Steckelberg, A., Wagner, K., Mikolajczyk, R. (2020): COVID-19: Wissensstand, Risikowahrnehmung und Umgang mit der Pandemie. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes, 153-154: 32-38.
Mohnberg, I., Spanier, K., Peters, E., Radoschewski, F. M., Bethge, M. (2016): Determinanten für intendierte Anträge auf medizinische Rehabilitation bei vorangegangenem Krankengeldbezug. Rehabilitation, 55: 81-87.
Schmitt, N., Fauser, D., Golla, A., Zimmer, J.M., Bethge, M., Mau, W. (2020): Determinanten des subjektiven Rehabilitationsbedürfnisses und der Antragsintention bei Personen mit Rückenschmerzen. Rehabilitation (im Druck).
Hintergrund und Zielstellung
Das Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz) sieht nach § 14 (3) SGB VI vor, dass für Versicherte ab 45 Jahren die „Einführung einer freiwilligen, individuellen, berufsbezogenen Gesundheitsfürsorge für Versicherte […] trägerübergreifend in Modellprojekten erprobt wird.“
Daher wurde durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund ein Screening entwickelt, welches auf den fünf Dimensionen Erwerbsfähigkeit, psychische Befindlichkeit, Funktionsfähigkeit, Bewältigungsverhalten sowie Sport und Bewegung mit insgesamt 19 Items Präventions- und Rehabilitationsbedarf bei Über-45-Jährigen erfassen soll. Ziel der vorliegenden Studie ist die Bestimmung von psychometrischen Eigenschaften, der Reliabilität sowie der Kriteriums- und faktoriellen Validität dieses Screenings.
Methoden
Es wurde eine Querschnittsstudie durchgeführt. Hierfür wurden drei Stichproben bei der DRV Bund mit Personen zwischen 45 und 60 Jahren gezogen und postalisch kontaktiert:
1. Versicherte ohne Leistungsinanspruchnahme in den vergangenen 4 Jahren (n=2.000);
2. Versicherte mit Beantragung einer medizinischen Rehabilitation (n=5.000) und
3. Versicherte mit Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) (n=1.000).
Für Stichprobe 1 wurden zusätzlich auch Versicherte der DRV Berlin-Brandenburg und DRV Mitteldeutschland berücksichtigt (Bruttostichprobe je n=1.000). Alle Stichproben erhielten zur Beantwortung den Screening-Bogen und weitere ausgewählte Instrumente, die der Kriteriumsvalidierung dienen. Hierzu zählen das Screening-Instrument für Beruf und Arbeit in der Rehabilitation (SIBAR), das Würzburger Screening, der WHO-5-Wohlbefindens-Index, die Kurzform der Norwegian Function Assessment Scale (NFAS-23), die Allgemeine Selbstwirksamkeit Kurzskala (ASKU) und der European Health Interview Survey - Physical Activity Questionnaire (EHIS-PHQ).
Auf Item- bzw. Dimensionsebene wurden fehlende Werte, Verteilungseigenschaften, Itemschwierigkeit, interne Konsistenz, Inter-Item-Korrelationen mit Homogenität sowie die faktorielle Validität mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse ermittelt (Hu, Bentler, 1999; Döring, Bortz, 2016). Die Kriteriumsvalidität wurde mit Korrelationen nach Pearson zwischen den Dimensionen des Screenings und den jeweils ausgewählten Validierungsinstrumenten bestimmt.
Ethikvotum und eine datenschutzrechtliche Würdigung wurden von den zuständigen Stellen eingeholt. Ein schriftliches informiertes Einverständnis der Studienteilnehmenden liegt vor. Die Studie wurde im Deutschen Register Klinischer Studien prospektiv registriert (DRKS00014979).
Ergebnisse
Der Rücklauf betrug für Stichprobe 1 23,8% (n=953), für Stichprobe 2 52,1% (n=2.603) und für Stichprobe 3 45,8% (n=458), insgesamt 40,1% (n=4.014). Fehlende Werte auf Item-Ebene traten zwischen 0,5% und 2,8% auf, auf Dimensionsebene zwischen 1,2% und 4,2%. Bei der Verteilung zeigte sich sowohl auf Item- als auch auf Dimensionsebene ein unterschiedliches Beeinträchtigungsniveau der drei Stichproben. Versicherte der Stichprobe 1 wiesen das geringste Beeinträchtigungsniveau auf, solche der Stichprobe 3 das höchste Beeinträchtigungsniveau. Die interne Konsistenz lag für die Dimension Sport und Bewegung mit Cronbachs alpha = 0,64 in einem mäßigen Bereich, für die anderen vier Dimensionen zwischen α=0,79 und α=0,90 in einem guten bis exzellenten Bereich. Die konfirmatorische Faktorenanalyse ergab standardisierte Regressionskoeffizienten von im Mittel 0,76 (0,45-0,91) mit geringeren Ladungen für die Dimension „Sport und Bewegung“. Die Modellgüte kann entsprechend der gewählten Fit-Indices als mäßig interpretiert werden. Die Kriteriumsvalidität von Ü45-Screening-Dimension zu den genannten Validierungsinstrumenten lag zwischen r=0,6 und r=0,78, für die Dimension Sport und Bewegung zwischen r=0,08 und r=0,26.
Diskussion und Fazit
Das Screening zeichnet sich durch insgesamt gute psychometrische Eigenschaften sowie eine gute Reliabilität und Kriteriumsvalidität aus. Die Dimension Sport und Bewegung weist in allen Bereichen die ungünstigsten Kennwerte auf und mindert zudem die faktorielle Validität des Screenings. Hier ist zu erwägen, ob und in welcher Form diese Dimension Teil eines Ü45-Screenings bleiben sollte. Die Dimensionen Erwerbsfähigkeit sowie psychische Befindlichkeit und Funktionsfähigkeit diskriminieren am meisten zwischen Versichertengruppen mit unterschiedlichen Belastungen und könnten damit besonders nützlich im Screening-Prozess sein. Je nach Schwerpunkt- und Zielsetzung kommen unterschiedliche Auswertungsalgorithmen im Hinblick auf Handlungsempfehlungen in Frage.
Aufgrund des Einbezugs sowohl eines bundesweit tätigen als auch von zwei regionalen Rentenversicherungsträgern und der Ziehung mehrerer Stichproben mit unterschiedlichen Belastungsprofilen ist die Generalisierbarkeit der Ergebnisse hoch. Der je nach Stichprobe und Träger unterschiedliche, teils geringe Rücklauf von ausgefüllten Fragebögen kann möglicherweise zu einem Selektionsbias geführt haben. Weitere Analysen, die auch zusätzliche externe Validitätskriterien beispielsweise zu Angaben aus dem Reha-Entlassungsbericht und dem DRV-Versicherungskonto untersuchen, sind daher sinnvoll. In Modellprojekten mit Einsatz dieses Screening-Bogens könnten insbesondere Zugangswege zu vulnerablen Zielgruppen, eine ökonomische, praktikable Auswertung und die Nützlichkeit des Screenings untersucht werden.
Literatur
Döring, N., Bortz, J. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation. Berlin, Springer.
Hu, L. t., Bentler, P. M. (1999): Cutoff criteria for fit indexes in covariance structure analysis: Conventional criteria versus new alternatives. Structural equation modeling: a multidisciplinary journal, 6(1). 1-55.
Hintergrund und Zielstellung
Analysen zu regionalen Unterschieden in Gesundheit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen bzw. deren Ausgaben haben eine lange Tradition, nicht nur in den USA (Rosenthal 2012), sondern auch in Europa. Für Deutschland gibt es zwar eine Reihe von Untersuchungen zu regionalen Gesundheitsindikatoren wie Morbidität, Mortalität, Lebenserwartung und möglichen Einflussfaktoren wie Gesundheitsverhalten oder Sozialschicht (z.B. Prütz et al. 2014, Kroll & Lampert, 2012). Untersuchungen zu regionalen Unterschieden in der Versorgung mit Gesundheitsleistungen sind dagegen eher selten (z.B. Storz-Pfennig et al. 2014, Kopetsch & Schmitz, 2013).
Die rehabilitative Versorgung zeichnet sich ebenfalls durch bedeutsame regionale Unterschiede aus (zur Anschlussrehabilitation vgl. Radoschewski & Michel, 2015). Auch der Sachverständigenrat konstatiert diese Unterschiede zwischen den Regionen und mahnt weitere Forschung an, um medizinische und/oder ökonomische Erklärungsansätze zu identifizieren (SVR, 2014). Der folgende Beitrag untersucht auf der Basis von altersstandardisierten Inanspruchnahmeraten von medizinischer Rehabilitation insgesamt sowie für ausgewählte Reha-Indikationen die regionalen Unterschiede und deren Zusammenhang mit regionalisierten Indikatoren zur Morbidität, medizinischer Versorgungdichte sowie Wirtschafts- und Sozialstruktur.
Methoden
Für die epidemiologischen Analysen wurden Daten zu den abgeschlossenen Rehabilitationen, aktiv Versicherten und Rentenbestand (Statistiken der Rentenversicherung), Krankenhausfälle und Bevölkerung (Destatis) und Daten zur räumlichen Verteilung der Versorgungsdichte (z. B: Ärztedichte) sowie der Wirtschafts- und Sozialstruktur (Regionalindikatoren aus der INKAR-Datenbank, BBSR 2020) zusammengestellt. Je nach Verfügbarkeit wurden Daten aus dem Zeitraum 2006 bis 2019 genutzt. Die regionalen Unterschiede in der Reha-Inanspruchnahme wurden mittels Variations- und Korrelationskoeffizienten verdeutlicht, die Einflussfaktoren auf die altersstandardisierte Inanspruchnahme anhand von Regressionsmodellen ermittelt. Die Analysen erfolgten auf der Ebene von Bundesländern.
Ergebnisse
Die regionalen Unterschiede in der altersstandardisierter Inanspruchnahme von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (nach §15 SGB VI) sind insgesamt deutlich ausgeprägt, wie in Abbildung 1 für das Jahr 2019 dargestellt. Der Variationskoeffizient (berechnet als Standardabweichung geteilt durch Mittelwert) gibt die Variation zwischen den Bundesländern an und liegt in den Jahren 2006 bis 2019 zwischen 0,07 und 0,12. Hamburg und Berlin weisen die niedrigsten Inanspruchnahmeraten auf. Die höchste Inanspruchnahme wird von Thüringen erzielt, dicht gefolgt von Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern. Die beobachtete regionale Rangfolge in der altersstandardisierten Inanspruchnahme ist zeitlich weitgehend stabil: Die Korrelation (r2 nach Pearson) zwischen 2006 und 2019 beträgt 0,71.
Hier etwa:
Abb.1: Altersstandardisierte Inanspruchnahmeraten von medizinischen Rehabilitationen (nach §15 SGB VI) im Jahr 2019 nach Bundesländern
Regionale Unterschiede zeigen sich auch bei den ausgewählten Reha-Indikationen bzw. Verfahrensarten. Bei Anschlussrehabilitationen (AR/AHB) nach §15 SGB VI findet sich ebenfalls die niedrigste Inanspruchnahme in Hamburg und die höchste in Thüringen; der Variationskoeffizient weist eine Spanne von 0,13 bis 0,18 auf. Die Korrelation zwischen 2006 und 2019 beträgt 0,81. Für onkologische Verfahren nach §31 SGB VI (überwiegend für Rentner, Ca-Reha) wird im Schnitt die höchste Inanspruchnahme für Sachsen und die niedrigste für Bremen ermittelt. Der Variationskoeffizient liegt mit 0,17 bis 0,26 höher, der Korrelationskoeffizient zwischen 2006 und 2019 ist mit 0,80 aber ebenfalls hoch. Psychosomatische Rehabilitation wird am seltensten in Sachsen-Anhalt und Bayern in Anspruch genommen, am häufigsten im Saarland und in Bremen. Der Variationskoeffizient nimmt Werte zwischen 0,15 und 0,22 an, der Korrelationskoeffizient beträgt 0,81.
Die durchgeführten Regressionen ergaben, dass die Bundesländer allein 60% der Varianz in der altersstandardisierten Inanspruchnahme medizinischer Rehabilitation insgesamt erklären. Diese Varianzaufklärung war für die einzelnen betrachteten Reha-Indikationen durchaus unterschiedlich: 12% bei psychosomatischen Rehabilitationen, 40% bei Anschlussrehabilitationen (§15 SGB VI) und 67% bei Ca-Reha nach §31 SGB VI. Wenn Indikatoren zur Morbidität, medizinischen Versorgungsdichte und Wirtschafts- und Sozialstruktur sowie Geschlecht und Jahr in die Regressionsmodelle einbezogen wurden, reduzierte sich die Varianzaufklärung durch die Bundesländer zwar substantiell, blieb aber weiterhin signifikant und bedeutsam.
Diskussion und Fazit
Die regionalen Variationen in der altersstandardisierten Inanspruchnahme medizinischer Rehabilitation sind durchaus beträchtlich, die gemessenen Variationskoeffizienten liegen allerdings in einem ähnlichen Bereich wie bei einer Studie zur stationären Krankenhausversorgung in Deutschland (Storz-Pfennig 2014). Auch die zeitliche Stabilität dieser Unterschiede verweist auf länderspezifische Besonderheiten (s. Radoschweski & Michel 2015). Bevölkerungsbezogene Indikatoren zur Morbidität und zur Wirtschafts- und Sozialstruktur reduzieren den Beitrag zur Varianzaufklärung durch die Bundesländer erheblich, aber nicht in einem so hohen Ausmaß wie für die ambulante (Kopetsch & Schmitz 2013) und stationäre Krankenversorgung in Deutschland (Storz-Pfennig 2014). Den größten Beitrag zur Erklärung der regionalen Unterschiede in der ambulanten und stationären Krankenversorgung leisten in diesen Studien Morbiditätsunterschiede, die mit den Indikatoren zum Risikostrukturausgleich gemessen werden. Diese Indikatoren wurden eigens zur Abbildung der Morbidität in der Kassenärztlichen Versorgung entwickelt.
Für die hier betrachteten Gruppen der Aktiv Versicherten bzw. Rentenbezieher der DRV können nur die bevölkerungsbezogenen Morbiditätsmessungen (altersstandardisierte Krankenhausfälle) zum Vergleich herangezogen werden. Sie stellen eher grobe Indikatoren zur Abschätzung des Reha-Bedarfs dar. Bei der Betrachtung von speziellen Reha-Indikationen wie Anschlussrehabilitationen, psychosomatische Rehabilitationen und Ca-Leistungen ist die Erklärungskraft durch indikationsspezifische Morbiditätsindikatoren beträchtlich, für die Gesamtgruppe der Rehabilitationsleistungen aber nicht.
Zusammengefasst kann damit festgestellt werden, dass die regionalen Unterschiede in der Reha-Inanspruchnahme zu einem guten Anteil auf diese Bedarfsunterschiede in den Bundesländern zurückgeführt werden können. Ein Einfluss der medizinischen Versorgungsdichte, wie man aufgrund der vielfach besonders niedrigen Inanspruchnahme in den Stadtstaaten vermuten könnte, ist nicht nachweisbar.
Literatur
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg). (2020): Indikatoren und Karten zur Raum- und Stadtentwicklung (INKAR). Bonn
Kopetsch T, Schmitz H. (2013): Regional Variation in the Utilisation of Ambulatory Services in Germany. Health Econimcs 23. 1481-1492
Kroll LE, Lampert T. (2012): Regionalisierung von Gesundheitsindikatoren - Ergebnisse aus der GEDA-Studie 2009. Bundesgesundheitsblatt, 55. 129-139
Prütz F, Rommel A, Kroll LE, Lampert T. (2014): 25 Jahre nach dem Fall der Mauer: Regionale Unterschiede in der Gesundheit. In: Robert-Koch-Institut (Hrsg.) GBE kampakt 5 (3)
Radoschewski FM Michel E. (2015): Entwicklungstrends und Strukturen von Anschlussrehabilitationen (AR/AHB) - Epidemiologische Analyse der Häufigkeits- und Strukturentwicklung von Anschlussrehabilitationen/Anschlussheilbehandlungen. Unveröffentlichter Abschlussbericht, Berlin: DRV Bund
Rosenthal T. (2012): Geographic Variation in Health Care. Annual Review of Medicine 63. 493-509
SACHVERSTÄNDIGENRAT zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR). (2014): Bedarfsgerechte Versorgung − Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche. 269. Abgerufen am 12.11.2020: https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/user_upload/Gutachten/2014/SVR-Gutachten_2014_Langfassung.pdf
Storz-Pfennig P. (2014): Geographic Variations in Health Care: What do we know and what can be done to improve Health System Performance? OECD 2014
Hintergrund und Zielstellung
Seit 2014 ist in den Daten der Deutschen Rentenversicherung ein Rückgang der Anträge auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beobachtbar. Demografische und weitere Faktoren würden dagegen eher steigende Antragszahlen erwarten lassen, u.a. da die geburtenstarken Jahrgänge mittlerweile ein reha-intensives Alter erreichen. Gründe für diesen Antragsrückgang wurden bisher primär in Studien an Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Reha-Bedarf erfasst (Deck et al., 2018; Giesler et al., 2020; Schmitt et al., 2020). Der vorliegende Beitrag greift demgegenüber auf Daten aus einer Zufallsstichprobe von Versicherten zurück und geht folgenden Fragen nach:
(1) Lassen sich Subgruppen von Versicherten identifizieren, die sich systematisch in möglichen Barrieren gegen eine Reha-Antragstellung bzw. die Inanspruchnahme einer medizinischen Rehabilitation unterscheiden?
(2) Ist die Gruppenzugehörigkeit mit der selbstberichteten Bereitschaft zur Antragstellung sowie mit gesundheitsbezogenen Variablen und Reha-Erfahrungen assoziiert?
Methoden
Die analysierten Daten entstammen einem Projekt zu Gründen für den Antragsrückgang, das von 2017 bis 2019 im Auftrag der Deutsche Rentenversicherung Bund durch die Prognos AG durchgeführt wurde (Moog et al., 2019). Für die Studie wurde eine Zufallsstichprobe von 10.000 Versicherten des Geburtsjahrgangs 1964 aus der Reha-Statistik-Datenbasis (RSD)-Verlaufserhebung 2016 gezogen. N = 2.142 Versicherte nahmen an der postalischen Befragung teil. Der Fragebogen enthielt unter anderem eine Reihe von Aussagen zu möglichen Barrieren gegen eine Reha-Antragstellung bzw. –Inanspruchnahme, die auf vier- bzw. fünfstufigen Rating-Skalen zu bewerten waren. Die Antworten wurden zu sechs Indizes aggregiert: (1) Geringe Wirksamkeit von Rehabilitation (k=4), (2) Geringe Bewilligungschance von Reha-Anträgen (k=2), (3) Überkomplexität des Antragsverfahrens (k=3), (4) Geringe Antragskompetenz (k=4) sowie (5) Berufliche Barrieren (k=5) und (6) Private Barrieren (k=2). Jeweils mit Einzelitems wurde die Bereitschaft zur Reha-Antragstellung im Bedarfsfall, das Vorhandensein eigener Reha-Erfahrungen sowie Indikatoren der gesundheitlichen Situation (aktueller Gesundheitszustand, körperliche und psychische Funktionsbeeinträchtigungen, Krankengeldbezug in den 3 Jahren vor der Erhebung, subjektive Erwerbsprognose) erhoben.
Die sechs Indizes wurden einer hierarchischen Clusteranalyse nach Ward unterzogen, deren Ergebnisse in einer k-means-Clusteranalyse optimiert wurden. Zur Interpretation wurden die Clustermittelwerte auf den Ausgangsvariablen herangezogen, die in univariaten Varianzanalysen mit post hoc-Paarvergleichen (Methode Least Significant Difference) verglichen wurden. Zusammenhänge der Clusterzugehörigkeit mit den weiteren Variablen wurden varianzanalytisch bzw. mittels Chi-Quadrat-Tests geprüft.
Ergebnisse
In der Clusteranalyse nach Ward erwies sich eine 8-Cluster-Lösung als adäquat (s. Abbildung 1). Es ergaben sich signifikante Gruppenunterschiede auf allen clusterbildenden Variablen. Neben Gruppen mit generell niedrig (Cluster 2) bzw. fast durchweg hoch (Cluster 4 und 7) ausgeprägten Barrieren finden sich Subgruppen, in denen spezifische Barrieren, z.B. die hohe Komplexität des Antragsverfahrens (Cluster 1) oder die vermeintlich geringen Bewilligungschancen einer Reha (Cluster 3) im Vordergrund stehen.
- bitte etwa hier Abbildung 1 einfügen -
Abbildung 1: Mittelwerte auf den clusterbildenden Variablen sowie Fallzahlen der 8-Cluster-Lösung (k means-Analyse).
Die Cluster unterscheiden sich in der Bereitschaft, im Bedarfsfall einen Reha-Antrag zu stellen (F=20.795, df 7, 1815, p < .001) sowie im aktuellen Gesundheitszustand (F = 9.39, df 7/1815, p < .001). Die Clusterzugehörigkeit war ferner systematisch assoziiert mit
- dem Vorliegen eigener Reha-Erfahrungen (Chi-Quadrat = 102.7, df 7, p < .001, Cramér’s V = .237),
- Krankengeldbezug (Chi-Quadrat = 60.13, df 7, p < .001, Cramér’s V = .185),
- körperlichen (Chi-Quadrat = 96.52, df 14, p < .001, Cramér’s V = .163) und psychischen (Chi-Quadrat = 73.25, df 14, p < .001, Cramér’s V = .143) Funktionsbeeinträchtigungen und
- der subjektiven Erwerbsprognose (Chi-Quadrat = 118.12, df 14, p < .001, Cramér’s V = .185).
Diskussion und Fazit
Es wurden acht Subgruppen identifiziert, die sich systematisch in Art und Ausmaß möglicher Barrieren gegen eine Reha-Antragstellung unterscheiden. In der Mehrzahl der Cluster ist die Bereitschaft zur Antragstellung im Bedarfsfall trotz einzelner spezifischer Barrieren hoch ausgeprägt. Mit Cluster 6, 7 und 4 ergaben sich jedoch drei Risikogruppen für eine ausbleibende Reha-Antragstellung. Alle drei Cluster sind durch einen vergleichsweise schlechteren aktuellen Gesundheitszustand und eine ungünstigere subjektive Erwerbsprognose gekennzeichnet. Bei Personen in Cluster 7 und 6 handelt es sich um Versicherte, die häufig bereits Krankengeld bezogen und Rehabilitationsleistungen erhalten haben und (mittlerweile) an der Wirksamkeit von Rehabilitation zweifeln. Demgegenüber finden sich in Cluster 4 eher Versicherte, die erstmals eine kritische Entwicklung ihrer Gesundheit erleben und grundsätzlich von einer positiven Wirkung der Rehabilitation ausgehen, jedoch zahlreiche Barrieren gegen eine Antragstellung beschreiben, die nicht erfahrungsbasiert sind, sondern auf subjektiven Vorannahmen basieren und sich möglicherweise durch gezielte Informations- und Unterstützungsangebote reduzieren lassen.
Literatur
Deck R, Babaev V, Katalinic A. (2018): Gründe für die Nichtinanspruchnahme einer onkologischen Rehabilitation. Ergebnisse einer schriftlichen Befragung von Patienten aus onkologischen Versorgungszentren. Rehabilitation, 58. 243-252
Moog S, Mohr S, Weiß J, Knittel T, Klein R, Madday C. (2019): Analyse des Antragsrückgangs bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation - Endbericht. Berlin: DRV Bund, https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Experten/reha_forschung/forschungsprojekte/abschlussbericht_antragsrueckgang.html
Giesler J M, Klindtworth K, Nebe A, Glattacker M (2020): Medizinische Rehabilitation bei MS: Barrieren und Facilitatoren der Inanspruchnahme aus Patientensicht. Rehabilitation, 59. 112-119
Schmitt N, Fauser D, Golla A, Zimmer J-M, Bethge M, Mau W. (2020): Determinanten des subjektiven Rehabilitationsbedürfnisses und der Antragsintention bei Personen mit Rückenschmerzen. Rehabilitation, DOI: 10.1055/a-1270-1808
Hintergrund und Zielstellung
Ein subjektives Rehabilitationsbedürfnis kann als persönlich wahrgenommene Passung zwischen den eigenen rehabilitationsbezogenen Kenntnissen (inkl. Wissen und Verständnis, Angebotserwartungen etc.) und dem individuellen Gesundheitsproblem (inkl. erlebter Beeinträchtigungen, aktuelle Versorgungssituation, Selbstwirksamkeit etc.) verstanden werden. Im Zugang zur medizinischen Rehabilitation steht vielfach das subjektive Bedürfnis am Anfang und bildet so eine Vorstufe der intendierten Leistungsbeantragung. Vor allem die kritische Kombination aus fehlendem subjektiven Bedürfnis bei drohender oder bestehender beruflicher Teilhabebeeinträchtigung könnte eine Barriere für einen rechtzeitigen Leistungszugang darstellen. Aber auch ein unbefriedigtes Bedürfnis, z. B. in Folge einer ärztlichen oder trägerseitigen Antragsablehnung bei temporär fehlender Rehabilitationsindikation, könnte eine (erneute, evtl. berechtigte) Antragstellung im weiteren Zeitverlauf negativ beeinflussen. Anhand von Daten einer aktuellen Kohortenstudie wurde geprüft, in welchem Maß sich subjektives Bedürfnis und potentieller Bedarf unterscheiden und welche Faktoren ein Ungleichgewicht im Sinne der persönlichen Unterschätzung des eigenen Bedarfs begünstigen.
Methoden
Es erfolgte eine Sekundärdatenanalyse mit Daten einer DFG-geförderten Kohortenstudie (REHAB-BP; DRKS00011554; Bethge et al. 2017). An der im Jahr 2017 durchgeführten postalischen Fragebogenerhebung nahmen 10.365 Versicherte der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Nord und Mitteldeutschland teil (geschichtete Stichprobenziehung nach Geschlecht und Krankengeldbezug; Einschluss: Alter 45 bis 59 Jahre; kein bisheriger Antrag auf Erwerbsminderungsrente und ohne Rehabilitationsantrag oder -inanspruchnahme innerhalb der letzten 4 Jahre). Ein subjektives Rehabilitationsbedürfnis wurde über die Frage „Denken Sie, dass Sie eine medizinische Rehabilitation benötigen?“ (ja = 1; nein = 0) operationalisiert. Eine negative subjektive Erwerbsprognose (SPE ≥ 2 Punkte; Mittag & Raspe 2003) bei gleichzeitig bestehender mäßiger bis schlechter subjektiver Arbeitsfähigkeit (Work Ability Score ≤ 7 Punkte; Ilmarinen 2007) wurde als Kriterium eines potentiellen Rehabilitationsbedarfs gemäß der Anspruchsvorrausetzung der DRV definiert. In die Analyse gingen nur Personen mit vollständigen Angaben zum subjektiven Bedürfnis, der Erwerbsprognose und der Arbeitsfähigkeit ein. Als Maß der Übereinstimmung zwischen Bedürfnis und Bedarf wurden das Risikoverhältnis (Odds Ratio) und Cohens Kappa berechnet. Innerhalb der Gruppe mit Bedarfskriterium wurden anschließend Personen mit und ohne subjektivem Bedürfnis bezüglich gesundheitsbezogener (aktueller Gesundheitszustand, Anzahl alltagsbeeinträchtigender Erkrankungen, Arbeitsunfähigkeitstage, Anzahl an Arztbesuchen sowie ambulanter Behandlungen) und soziodemografischer Aspekte (Alter, Geschlecht, soziökonomischer Schichtindex) miteinander verglichen (t-Test; Cohen‘s d als Effektstärkemaß). Mittels binär-logistischer Regression (Vorwärtsselektion: Aufnahme bei p < 0,05) wurden explorativ die Zusammenhänge zwischen den gesundheitsbezogenen/soziodemografischen Variablen (uV) und einem subjektiven Rehabilitationsbedürfnis (aV) geprüft.
Ergebnisse
Für die Analyse wurden die Daten von 9.773 DRV-Versicherten (Alter: 52±4 Jahre, 57 % weiblich) berücksichtigt. Insgesamt 3.110 Personen (32 %) bewerteten sich als rehabilitationsbedürftig, 1.791 Personen (18 %) wiesen das definierte Bedarfskriterium auf. Bei 73 % der Analysestichprobe lag eine Übereinstimmung zwischen subjektivem Bedürfnis und dem Bedarfskriterium vor (Übereinstimmungskombination: n-/- = 6.021; n+/+ = 1.149; OR = 5,5; Kappa = 0,31, p < 0,001). Bei den übrigen 27 % zeigte sich eine Diskrepanz, darunter 1.961 Personen mit Bedürfnis+/ohne Bedarfskriterium- und 642 Personen ohne Bedürfnis-/mit Bedarfskriterium+. Von den 7.982 Personen ohne Bedarfskriterium bewerteten sich demnach 25 % als rehabilitationsbedürftig. Unter den übrigen 1.791 Personen mit Bedarfskriterium bewerten sich 36 % als nicht rehabilitationsbedürftig. Innerhalb dieser Subgruppe (n = 1.791) wiesen Personen ohne Bedürfnis (n = 642) gegenüber Personen mit subjektivem Bedürfnis (n = 1.149) einen niedrigeren sozioökonomischen Schichtindex (d = 0,20), einen besseren aktuellen Gesundheitszustand (d = 0,26) sowie eine geringere Anzahl alltagsbeeinträchtigender Gesundheitsprobleme (d = 0,26) und ambulanter Behandlungen innerhalb des letzten Jahres (d = 0,16) auf. In der logistischen Regression blieben Gesundheitszustand, sozioökonomischer Schichtindex und die Anzahl der Gesundheitsprobleme mit geringen Odds Ratios signifikant.
Diskussion und Fazit
Trotz der zu erwartenden Unschärfe hinsichtlich der Operationalisierung von Bedarf und Bedürfnis zeigte sich eine Assoziation beider Aspekte. In der analysierten Stichprobe ließen sich aber auch bei etwa jedem Vierten potentielle Diskrepanzen in der Wahrnehmung beobachten - sowohl im Sinne einer möglichen Unter- als auch Überschätzung. In der Subgruppe mit positivem Bedarfskriterium waren dabei die gesundheitsbezogenen Unterschiede von Personen mit und ohne subjektivem Bedürfnis nur geringfügig. Das kann ein Indiz dafür sein, dass bei potentiellem Bedarf die rehabilitationsbezogenen Kenntnisse eine wichtige Rolle für die Bildung eines subjektiven Rehabilitationsbedürfnisses einnehmen könnten. Die These wird indirekt durch Befunde zu rehabilitationsbezogenen Wissensdefiziten gestützt, z. B. bei gesetzlich rentenversicherten Personen (Walther et al. 2018) oder Personen, die eine Erwerbsminderungsrente ohne vorherige Rehabilitationsinanspruchnahme erhalten hatten (Märtin & Zollmann 2013). Um die Einflussfaktoren auf die Entwicklung eines Rehabilitationsbedürfnisses besser zu verstehen, sollten die rehabilitationsbezogenen Kenntnisse sowie der beobachtete Befund eines möglichen sozioökonomischen Einflusses näher untersucht werden.
Literatur
Bethge, M., Mattukat, K., Fauser, D., Mau, W. (2017): Rehabilitation access and effectiveness for persons with back pain: the protocol of a cohort study (REHAB-BP, DRKS00011554). BMC Public Health, 18: 22.
Ilmarinen, J. (2007): The Work Ability Index (WAI). Occupational Medicine, 57: 160.
Märtin, S., Zollmann, P. (2013): Keine Reha vor Rente? Ergebnisse des Projekts „Sozioökonomische Situation von Personen mit Erwerbsminderung“, in: DRV Bund (Hrsg.). 22. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium, 2013, Berlin: DRV Bund, 109–111.
Mittag, O., Raspe H. (2003): Eine kurze Skala zur Messung der subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit: Ergebnisse einer Untersuchung an 4279 Mitgliedern der gesetzlichen Arbeiterrentenversicherung zu Reliabilität (Guttman-Skalierung) und Validität der Skala. Rehabilitation, 42: 169-174.
Walther, AL., Falk, J., Deck, R. (2018): Informationsbedürfnisse von Versicherten der Deutschen Rentenversicherung zur medizinischen Rehabilitation – eine schriftliche Befragung. Gesundheitswesen, 80: 635-641.