Hintergrund und Zielstellung
Leistungen der Sozialen Arbeit sind ein wesentlicher Bestandteil des Behandlungsspektrums in der medizinischen Rehabilitation (Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, 2016). Neue Anforderungen an Konzepte und Leistungen der Sozialen Arbeit ergeben sich u.a. aus der verstärkten beruflichen Orientierung der Rehabilitation, erhöhten Ansprüchen an die Nachhaltigkeit von Rehabilitationsmaßnahmen und der zunehmenden Bedeutung interprofessioneller Teamarbeit in der Rehabilitation. In der praktischen Umsetzung sozialdienstlicher Behandlungsansätze gibt es aktuell zudem erhebliche Variationen und somit einen Bedarf an einheitlichen Versorgungsstandards guter klinischer Praxis für dieses Tätigkeitsfeld. Daher wurden im vorgestellten Projekt Praxisempfehlungen (PE) für die Soziale Arbeit in Rehabilitationseinrichtungen entwickelt. Diese wurden in einem systematischen, mehrstufigen Verfahren unter Einbezug von Expert*innen aus der Praxis der Sozialen Arbeit erarbeitet und konsentiert.
Methoden
Die Arbeitsschritte bei der Erstellung der PE umfassten zum einen eine systematische nationale und internationale Literaturrecherche zum aktuellen Evidenzstand hinsichtlich Leistungen/Interventionen der Sozialen Arbeit und ihrer Rolle im Kontext der medizinischen Rehabilitation. Die Recherche bezog im Sinne eines Scoping Reviews (Munn et al., 2018) sowohl wissenschaftliche Datenbanken (u.a. PubMed, PsycLit, Psyndex) als auch „graue Literatur“ ein, um ein breites Spektrum sozialarbeiterischer Tätigkeit in der Rehabilitation abbilden zu können.
Zum anderen wurde eine Bestandsaufnahme zu Vorgehensweisen der Sozialen Arbeit in Form einer schriftlichen, online-basierten Befragung der Sozialdienste in DRV-eigenen sowie federführend von der DRV belegten Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt (N=1.230; alle somatischen und psychosomatischen Indikationen exkl. Abhängigkeitserkrankungen; stationäre und ambulante Reha-Einrichtungen; Rücklauf Nmax=381; Lukasczik et al., 2019). Erfragt wurden hierbei auch die Erwartungen an die PE.
Ergebnisse
Die Endfassung der PE umfasst nutzerorientiert aufbereitete Informationen zu Rahmenbedingungen der Tätigkeit Sozialer Arbeit in der Rehabilitation (strukturelle Voraussetzungen, Zugangswege). Außerdem gibt sie Erläuterungen zur Sozialen Diagnostik mit Hinweisen zu relevanten Verfahren und Assessments, z.B. im Bereich der Sozialanamnese.
Im Hauptteil der PE werden wesentliche/häufige Bedarfslagen von Rehabilitand*innen dargestellt. Hierzu zählen die folgenden: (a) berufliche Bedarfslagen (längere Abwesenheit vom Arbeitsplatz, Konflikte oder psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz, unklare berufliche Perspektive, notwendige berufliche Veränderungen, sozialmedizinische Leistungsbeurteilung); (b) soziale und wirtschaftliche Bedarfslagen (soziale Problemstellungen; wirtschaftliche und sozialrechtliche Schwierigkeiten; Teilhabe von Menschen mit Behinderung); (c) Bedarf an nachgehenden Leistungen (Nachsorge); (d) Bedarfslagen von Rehabilitand*innen im Bereich der Kommunikation.
Aufgeführt sind in den Kapiteln jeweils Informationen zur Feststellung der Bedarfslage, zu Inhalt und Umfang von Leistungen und Interventionen sowie Verweise auf weiterführende Materialien, Links und Informationen.
Die Schwerpunktsetzung spiegelt damit auch die in der ersten Einrichtungsbefragung geäußerten Erwartungen an die PE wider; dort betrafen die häufigsten Angaben Informationen zur Durchführung einzelner Maßnahmen (N=131), zur Erfassung von bzw. dem Umgang mit spezifischen Bedarfs- bzw. Problemlagen (N=131) und zur Sozialen Diagnostik (N=129).
Diskussion und Fazit
Die abschließende, konsentierte Fassung der PE wurde in den Gremien der Deutschen Rentenversicherung beraten und ihre Praxisrelevanz betont. Die PE werden als Broschüre der Deutschen Rentenversicherung veröffentlicht und den Sozialdiensten sowie den Behandler*innen in Rehabilitationseinrichtungen zur Verfügung gestellt. Im Sinne einer breit konsentierten Praxishilfe, die sowohl auf den praktischen Erfahrungen aus Rehabilitationseinrichtungen als auch auf vorhandener wissenschaftlicher Evidenz beruht, sollen sie neuen wie erfahrenen Mitarbeiter*innen der Sozialen Arbeit, aber auch anderen Berufsgruppen in der Rehabilitation Informationen zu Maßnahmen und Leistungen der Sozialen Arbeit und deren Umsetzung bieten.
Literatur
Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) (2016). Gemeinsame Empfehlung Sozialdienste. Frankfurt: BAR. https://www.bar-frank-furt.de/fileadmin/dateiliste/_publikationen/reha_vereinbarungen/pdfs/SozialdiensteGemeinsameEmpfehlung.web.pdf
Lukasczik, M., Zerban, N.L., Wolf, H.D., Ehrmann, K., Neuderth, S., Köhler, M., Röckelein, E., Vogel, H. (2019): Ausgestaltung Sozialer Arbeit in medizinischen Rehabilitationseinrichtungen: Eine Bestandserhebung als Baustein der Entwicklung von Praxisempfehlungen für die Erbringung sozialer Leistungen in der medizinischen Rehabilitation. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 32(2). 113-123.
Munn, Z., Peters, M.D.J., Stern, C., Tufanaru, C., McArthur, A., Aromataris, E. (2018): Systematic review or scoping review? Guidance for authors when choosing between a systematic or scoping review approach. BMC Medical Research Methodology, 18. 143.
Hintergrund und Zielstellung
Soziale Arbeit ist im Versorgungsalltag medizinischer Rehabilitation verankert. Allerdings besteht aufgrund eines Mangels an Forschung und großer Variationen in der Inanspruchnahme sozialarbeiterischer Leistungen ein Nachholbedarf hinsichtlich der Überprüfung der Wirksamkeit und der Entwicklung qualitativer Standards für die sozialarbeiterische Versorgung (Knoop et al., 2019). Die Hinweise auf einen negativen Zusammenhang zwischen sozialarbeiterischen Leistungen und dem Reha-Erfolg von Stamer et al. (2014) unterstreichen diesen Nachholbedarf. Die vorgestellte Studie verfolgt das Ziel, zum weiteren Verständnis der sozialarbeiterischen Praxis beizutragen und ist in zwei Teile aufgeteilt. Um die variable Inanspruchnahme erklären zu können, wurde in einem ersten Schritt zunächst der Frage nachgegangen: Studienteil A: Welche Merkmale beeinflussen die Inanspruchnahme sozialarbeiterischer Leistungen in der orthopädischen/ kardiologischen Rehabilitation? Studienteil B: Im zweiten Teil sollten die Ergebnisse zum negativen Zusammenhang anhand folgender Hypothese repliziert werden: Orthopädische/ kardiologische RehabilitandInnen, die während ihres Aufenthalts sozialarbeiterische Leistungen in Anspruch genommen haben, unterscheiden sich 8-12 Wochen nach dem Aufenthalt im Reha-Erfolg von RehabilitandInnen ohne diese Leistungen.
Methoden
Für die Sekundärdatenanalyse wurden die Qualitätssicherungsdaten der DRV (SUFRSDLV11B) aus der o.g. Mixed-Methods-Studie (MeeR-Projekt; Stamer et al., 2014) re-analysiert. In den Auswertungsdatensatz wurden RehabilitandInnen eingeschlossen, deren Angaben aus dem Fragebogen zur Beurteilung der Rehabilitation (FBR) sowie Informationen aus den Versichertenkonten und dem Entlassungsbericht (u.a. KTL 2007) vorlagen. Für beide Studienteile wurde die Inanspruchnahme sozialarbeiterischer Leistungen bei Vorliegen eines der folgenden KTL-Dokumentationskodes operationalisiert: D010 Orientierende Sozialberatung; D021-D029 Sozialrechtliche Beratung: Div. Themen. Der Datensatz beinhaltete zudem Variablen folgender Kategorien: Soziodemografie, Sozioökonomie, sozialmedizinische Risiken, Rehabilitationsdiagnose, Rehabilitationsmaßnahme. Für Studienteil A wurde der Zusammenhang dieser Merkmale mit der Inanspruchnahme je Indikationsbereich multivariat mit einem logistischen Regressionsmodell geschätzt. Da fast ausschließlich statistische Kriterien (likelihood ratio) über die Aufnahme der Variablen in die Regressionsmodelle entschieden, wurden die Modelle intern und extern kreuzvalidiert (Abb. 1) sowie deren Güte und diskriminativen Fähigkeiten überprüft. In Studienteil B der Studie wurde durch ein Propensity Score Matching (PSM) für mögliche konfundierende Faktoren des Zusammenhangs sozialarbeiterischer Leistungen mit dem Reha-Erfolg adjustiert. Der propensity score (PS) wurde anhand sämtlicher o.g. Variablen mittels Logit-Modell geschätzt. Orthopädische/ kardiologische RehabilitandInnen mit dokumentierten sozialarbeiterische Leistungen wurden auf Grundlage dieses PS (caliper c = SDPS/4) mit Personen ohne diese Leistung gematcht (Guo & Fraser, 2011). Durch einen Vergleich (paired t-test, wilcoxon signed-rank test) der Interventions- (IG) und Kontrollgruppen (KG) wurde die Wirksamkeit der sozialarbeiterischen Leistung hinsichtlich des Reha-Erfolgs überprüft. Der Reha-Erfolg wurde durch einen ICF-basierten Outcome-Index, der sich aus den subjektiven Angaben im FBR ergab, abgebildet. Es galt ein zweiseitiges, Bonferroni-korrigiertes α-Niveau von p < 0,025. Zudem wurden Effektstärken berechnet.
Ergebnisse
Die Stichprobencharakteristika der RehabilitandInnen aus orthopädischen (n=16.955) bzw. kardiologischen Reha-Einrichtungen (n=54.056) sind in Tabelle 1 aufgeführt.
Studienteil A: Sozialmedizinische Risiken wie z.B. eine AU-Zeit von mehr als 6 Monaten im Vergleich zu unter drei Monaten (OROrthopädie=1,64 [95%-CI:1,49-1,80]) standen mit einer erhöhten Inanspruchnahme der Leistungen in einem Zusammenhang. Zudem sank die Chance der Inanspruchnahme bei einem Heilverfahren (ORKardiologie=0,29 [0,26-0,33]) und bei nicht vorhandener Erwerbstätigkeit (ORKardiologie= 0,69 [0,53-0,91]). Die diskriminative Güte der Modelle war begrenzt (cOrthopädie=.62; cKardiologie=.65), sie blieben jedoch über den Zeitraum eines Jahres robust. Die Modellgüte betrug R2N=0,072 (Orthopädie) bzw. R2N=0,154 (Kardiologie).
Studienteil B: Nach erfolgreichem Matching in beiden Stichproben bestätigte sich durch einen Vergleich des durchschnittlichen Reha-Erfolgs sowohl bei orthopädischen RehabilitandInnen (MdnIG=-0,258; MdnKG=-0,168; Z=-13,217; p=0,000; r=-0,12) als auch bei kardiologischen RehabilitandInnen (MIG=-0,050 [95%-CI: -0.086; -0.014]; MKG=0,149 [0.115; 0.182]; T=-8,00; p=0,000; d=-0,20) der potenziell negative Effekt sozialarbeiterischer Leistungen auf den Reha-Erfolg mit jeweils kleinen Effektstärken.
Diskussion und Fazit
Die Aussagekraft der Ergebnisse beider Studienteile ist durch den Einsatz prozessproduzierter Daten limitiert. Im Studienteil B besteht zudem die Gefahr eines hidden bias. Die Bedeutung sozialmedizinischer und sozioökonomischer Probleme für die Soziale Arbeit in der medizinischen Rehabilitation werden in den Sozialarbeitswissenschaften ebenfalls diskutiert, konnten im 1. Studienteil jedoch nur in mancher Hinsicht bestätigt werden. Andere vermutete Bedarfskriterien konnten mit den vorliegenden Qualitätssicherungsdaten nicht überprüft werden. Der große Einfluss der Verfahrensart trat unerwartet auf. Die Ergebnisse von Studienteil B komplettieren das inkonsistente Bild zur Wirksamkeit der Sozialen Arbeit in der medizinischen Rehabilitation, da bereits positive (Vogel et al., 2017) und nicht signifikante Ergebnisse (Salzwedel et al., 2019) publiziert wurden. Sowohl die Variabilität der Inanspruchnahme als auch die Wirksamkeit sozialarbeiterischer Leistungen konnten mit der vorliegenden Studie nicht ausreichend erklärt bzw. gezeigt werden. Deshalb soll in einem nächsten Schritt die Praxis der Sozialarbeit mithilfe von Interviews und begleitenden Beobachtungen analysiert werden und relevante Wirkmechanismen identifiziert werden.
Literatur
Guo, Shenyang; Fraser, Mark W. (2011): Propensity score analysis. Statistical methods and applications. [Nachdr.]. Los Angeles, Calif.: Sage (Advanced quantitative techniques in the social sciences, 12).
Knoop, Tobias; Dettmers, Stephan; Meyer, Thorsten (2019): Soziale Arbeit in der medizinischen Rehabilitation – Eine Literaturübersicht über den aktuellen Stand der Forschung. In: Die Rehabilitation 58 (2), S. 89–95. DOI: 10.1055/a-0618-0921.
Salzwedel, Annett; Wegscheider, Karl; Schulz-Behrendt, Claudia; Dörr, Gesine; Reibis, Rona; Völler, Heinz (2019): No impact of an extensive social intervention program on return to work and quality of life after acute cardiac event: a cluster-randomized trial in patients with negative occupational prognosis. In: International archives of occupational and environmental health. DOI: 10.1007/s00420-019-01450-3.
Stamer, Maren; Zeisberger, M.; Kleineke, V.; Brandes, I.; Meyer, Thorsten (2014): MeeR. Merkmale einer guten und erfolgreichen Reha-Einrichtung. Abschlussbericht für den Auftraggeber (DRV Bund). Medizinische Hochschule Hannover. Hannover.
Vogel, Martin; Walther, Anna Lena; Deck, Ruth (2017): Telefonische sozialdienstliche Nachsorge zur Verbesserung der beruflichen Reintegration nach stationärer medizinischer Rehabilitation. In: Die Rehabilitation 56 (6), S. 379–388. DOI: 10.1055/s-0043-111614.
Hintergrund und Zielstellung
Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie und den anhaltenden digitalen Wandel müssen sich viele Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation konzeptionell neu ausrichten. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte miTAS-Verbundprojekt („multimediales, individuelles Trainings- und Arbeitsassistenzsystem“) setzt an dieser Stelle an. Es bietet Lernenden mit Lernschwierigkeiten und Autismus-Spektrum mithilfe der miTAS-App die Möglichkeit, ihre Arbeitsschritte multimedial, bedarfsgerecht und individualisiert abzubilden und anhand von Checklisten selbstständiger auszuführen. Auf diese Weise können neue berufliche Perspektiven eröffnet werden.
Um solche Hilfsmittel in der beruflichen Rehabilitation zu etablieren, braucht es neben technischer Infrastruktur die Einbeziehung pädagogischer Fachkräfte als Bezugspersonen, die durch ihre Erfahrungen und Haltung zu digitalen Medien die Ausgestaltung der digitalen Teilhabechancen der Klient*innen maßgeblich beeinflussen (Bosse et al., 2018; Heitplatz et al., 2019).
Die vorliegende qualitative Forschung hatte zum Ziel, in Kooperation mit dem miTAS-Projekt mögliche Ressourcen und Bedarfe pädagogischer Fachkräfte im Kontext digitaler Medien abzubilden sowie darauf basierend methodische Ansätze zu entwickeln, um Fachkräfte in den Ausbau der digitalen Teilhabe involvieren zu können.
Methoden
In einer ersten Evaluationsphase des miTAS-Projektes Ende 2019 wurden 18 pädagogische Fachkräfte mitunter aus dem Berufsbildungsbereich und dem Jobcoaching anhand eines halbstandardisierten Leitfadens befragt. Die Fachkräfte schätzten im Zuge dessen ihre eigene Medienkompetenz auf einer Schulnoten-Skala ein, beschrieben ihre Lernbereitschaft bezüglich digitaler Anwendungen sowie ihre Haltung zur digitalen Teilhabe. Um diese unterschiedlichen Haltungen abzubilden, wurden auf Basis der Ergebnisse fünf exemplarische Personas entwickelt. Die Personas dienten im Folgenden als Diskussionsgrundlage für sechs halb standardisierte, leitfadengestützte Expert*inneninterviews, welche im Juli und August 2020 durchgeführt wurden. In diesem Rahmen wurden die Passgenauigkeit der Personas evaluiert. Außerdem wurden in Anlehnung an die Personas mögliche Ressourcen und Bedarfe seitens der Fachkräfte sowie personenspezifische und allgemeine methodische Ansätze diskutiert. Die Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert und nach Mayring & Fenzl (2019) anhand eines Kategoriensystems analysiert.
Ergebnisse
Es konnten methodische Empfehlungen für die Themenfelder “Empfehlungen für Einführungsveranstaltungen”, “Empfehlungen für Einladungsgestaltung und Erstinformation” sowie “Allgemeine Methodenempfehlung” und “Anforderungen an die Organisation/Leitung” abgeleitet werden. Für die Erstinformation über den Ausbau der digitalen Teilhabe ist insbesondere der Einsatz von einrichtungsinternen Multiplikator*innen sowie deren Auftreten in Informationsvideos anstelle von traditionellen Flyern und Rundbriefen ratsam. Für Einführungsveranstaltungen sind gewohnte Endgeräte sowie mehrteilige Veranstaltungsformate mit Ausprobierphasen empfehlenswert.
Außerdem zeigte sich die Bedeutsamkeit eines klar erkennbaren Mehrwerts, um die Fachkräfte für den Ausbau der digitalen Teilhabe zu motivieren. Eine klare Kommunikation von Zuständigkeiten und die transparente Darstellung einer Vision seitens der Verantwortlichen der Einrichtungen, die mit dem Einsatz der digitalen Technologien verwirklicht werden soll, können außerdem dazu beitragen, die Fachkräfte bedarfs- und ressourcenorientiert zu involvieren. Generell sollte der Planungs- und Veränderungsprozess mit allen Betroffenen gestaltet werden. Außerdem sollte mit den Fachkräften evaluiert werden, welche Rolle sie im Rahmen der digitalen Teilhabe einnehmen und welchen Stellenwert die digitalen Medien dabei innehaben. Dies sollte handlungsleitend definiert werden.
Diskussion und Fazit
Anhand der qualitativen Forschung konnten mögliche Ressourcen und Bedarfe pädagogischer Fachkräfte beschrieben werden, die eine Orientierung und eine Reflexionsgrundlage im Veränderungsprozess bieten können. Anhand der Inhaltsanalyse zeigte sich eine gute Passgenauigkeit der Personas, womit eine wesentliche Bedingung für den Einsatz dieser Methode gegeben war (Petrovic et al., 2010). Die Vielseitigkeit der Ressourcen und Bedarfe pädagogischer Fachkräfte sowie die Empfehlung klarer Zuständigkeiten und Ansprechpartner*innen bestätigen die Forschungsergebnisse von Bosse et al. (2018).
Des Weiteren konnten auf Basis der Erhebung konkrete Methodenempfehlungen abgeleitet werden. Die Beschreibung der Bedeutsamkeit eines nachvollziehbaren Mehrwerts findet sich auch bei den Ansätzen des Veränderungsmanagements (Kuster et al., 2011). Die hier vorgestellte methodische Empfehlung zum Einsatz von Multiplikator*innen stellt in diesem Kontext eine methodische Ergänzung dar.
Hinsichtlich der dynamischen Pandemielage sowie des anhaltenden digitalen Wandels ist es von Bedeutung, die digitalen Teilhabemöglichkeiten auszubauen und in diesem Sinne die beschriebenen Methoden in der Praxis zu erproben und zu evaluieren sowie Kenntnisse über die Ressourcen und Bedarfe von Fachkräften zu erlangen. Auf diese Weise können die Fachkräfte für eine Befähigung der Klient*innen vorbereitet und motiviert werden, mit dem Ziel, den Klient*innen den Erwerb von digitalen Kompetenzen zu ermöglichen und sie somit in ihrer beruflichen sowie gesellschaftlichen Teilhabe zu stärken.
Literatur
Bosse, I., Zaynel, N. & Lampert, C. (2018): MeKoBe. Medienkompetenz in der Behindertenhilfe in Bremen. Bedarfserfassung und Handlungsempfehlung für die Gestaltung von Fortbildungen zur Medienkompetenzförderung. URL: https://www.bremische-landesmedienanstalt.de/uploads/Texte/Meko/Forschung/MekoBe_Endbericht.pdf, Abruf: 18.11.2020.
Heitplatz V. N.; Bühler, C. & Hastall M.R. (2019): Caregivers’ influence on smartphone usage of people with cognitive disabilities: An explorative case study in Germany. In: M. Antona & C. Stephanidis (Ed.): Universal access in human-computer interaction. Multimodality and assistive environments. HCII 2019. Lecture notes in computer science. Cham: Springer. Vol. 11573, 98-115.
Kuster, J., Huber, E., Lippmann, R., Schmid, A., Schneider, E., Witschi, U. & Wüst, R. (2011): Veränderungsmanagement und Umgang mit Widerstand. In: Kuster, J., Huber, E., Lippmann, R., Schmid, A., Schneider, E., Witschi, U. & Wüst (Hrsg.): Handbuch Projektmanagement. Berlin, Heidelberg: Springer. 268-281.
Mayring, P. & Fenzl, T. (2019): Qualitative Inhaltsanalyse. In: Baur, N. & Blasius, J. (Hrsg.): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung. Wiesbaden: Springer. 633-648.
Petrovic, K., Göring, K. & Kowallik, P. (2010): Personas für Business Software. In: H. Brau, S. Diefenbach, K. Göring, K., M. Peissner, & K. Petrovic (Hrsg.): Tagungsband UP10. Stuttgart: Fraunhofer Verlag. S.59-64.
Hintergrund und Zielstellung
Bisher liegen kaum Erkenntnisse vor, auf welche Art und Weise das Themenfeld „medizinische Rehabilitation“ in den Ausbildungsgängen von nicht-ärztlichen Berufsgruppen des Rehabilitationsteams integriert ist. Die Rehabilitation von Gesundheitsbeeinträchtigungen erfordert ein über einzelne Therapiemaßnahmen hinausgehendes interdisziplinäres Rehabilitationsteam, für dessen Ausbildungsgänge allerdings Hinweise auf Defizite bei der Vermittlung rehabilitationsbezogenen Wissens vorliegen (Mau et al., 2017). Ergebnisse aus der physiotherapeutischen Bildungsforschung zeigen dahingehend einen klaren Optimierungsbedarf bei der Vorbereitung auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der medizinischen Rehabilitation (Lehmann et al., 2014). Zwar scheint z.B. die ICF als eine interdisziplinäre Kommunikations- und Handlungsgrundlage in den Schulen vermittelt zu werden, dennoch deutet sich eine Diskrepanz zwischen erwarteten und tatsächlichen Kompetenzerwerb bei den Auszubildenden an (Luhmann & Vogt, 2015). Während zur Entwicklung der Lehre zur Rehabilitation im Medizinstudium in Deutschland Untersuchungen durchgeführt und Beiträge geleistet wurden (Mau et al., 2017), ist weitgehend unklar, welche spezifischen rehabilitationsbezogenen Kompetenzen bereits in der Ausbildung/dem Studium von Physio-, Ergo-, Psychotherapeut*innen, Pflegefachkräften und Sozialarbeiter*innen vermittelt werden bzw. werden sollten. Dazu wird derzeit ein von der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland gefördertes Projekt durchgeführt.
Methoden
Grundlage der Bestandsaufnahme des Projektes ist eine Sichtung und Systematisierung der Ausbildungsvorgaben bzw. Curricula in der Region Mitteldeutschland hinsichtlich benannter Ausbildungsziele, -inhalte und -umfänge zum Themenfeld „medizinische Rehabilitation“. Darauf aufbauend werden Informationen aus der Perspektive der in der Rehabilitation tätigen Akteure zur eigenen Aus-, Fort- und Weiterbildung in der medizinischen Rehabilitation in Form einer einmaligen postalischen Befragung erhoben. Anschließend erfolgt die Befragung der Lehrbeauftragten der jeweiligen Ausbildungsstätten für die genannten Berufsgruppen zur Umsetzung der Lehrvorgaben und der praktischen Vermittlung rehabilitationsbezogener Inhalte. Die Daten beider Befragungen werden mit Hilfe von SPSS unter Verwendung von deskriptiver und inferenzstatistischer Methoden pseudonymisiert verarbeitet und ausgewertet.
Ergebnisse
Die Rahmenlehrpläne der Ausbildungsberufe Physiotherapie, Ergotherapie und Gesundheits- und Krankenpflege beschäftigen sich im Vergleich zu den Studiengängen Soziale Arbeit und Psychologie ausführlicher mit rehabilitationsbezogenen Inhalten und behandeln die Arten, Konzepte sowie die rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen der medizinischen Rehabilitation und die Hilfsmittelversorgung. Die Ausbildung zur/zum Ergotherapeut*in, Physiotherapeut*in und Gesundheits- und Krankenpfleger*in erfolgt in Berufsfachschulen, welche sich nach den bundesländerspezifischen Rahmenlehrplänen richten. Insbesondere die Ergotherapielehrpläne in Sachsen und Thüringen bilden am vollständigsten rehabilitationsbezogene Inhalte von allen fünf Berufsgruppen ab. Die Curricula der Bachelor- und Masterstudiengänge Psychologie und Soziale Arbeit integrieren rehabilitationsbezogene Themen nur marginal. Speziell die Masterstudiengänge zur sozialen Arbeit thematisieren die medizinische Rehabilitation nur rudimentär bis gar nicht. Dies entspricht dem Umstand, dass sich die Curricula der einzelnen Hochschulen für Soziale Arbeit an dem Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit (2016) orientieren, welcher als rehabilitationsbezogenes Thema lediglich die rechtlichen Kenntnisse der Rehabilitation aufführt. Eine positive Ausnahme bildet ein Studiengang für Rehabilitationspsychologie, welcher von den Curricula der genannten Berufsgruppen am detailliertesten rehabilitationsbezogene Inhalte behandelt.
Die Resultate der Untersuchung der Curricula auf rehabilitationsbezogene Inhalte korrespondieren mit den Ergebnissen der Befragung der nicht-ärztlichen Berufsgruppen in den Rehabilitationskliniken. Während die Ergo- und Physiotherapeut*innen angeben, in ihrer Ausbildung teilweise rehabilitationsbezogene Lehrinhalte vermittelt bekommen zu haben, geben die befragten Psychotherapeut*innen und Sozialarbeiter*innen an, dass rehabilitationsbezogenen Lehrinhalte nur in geringem Ausmaß Bestandteil ihrer Ausbildung waren.
Diskussion und Fazit
Die Ergebnisse liefern wichtige Hinweise für die konkrete Weiterentwicklung der Ausbildung zu rehabilitationsrelevanten Kompetenzen dieser Berufsgruppen, für die derzeit vielfältige Weichen neu gestellt werden. So sind für das neue Studium der Psychotherapie, das im Wintersemester 2020/21 beginnen soll, rehabilitationsbezogene Kompetenzen in entsprechenden Gegenstandskatalogen zu verankern. Dies gilt auch für das derzeit zu erstellende "Gesamtkonzept Gesundheitsfachberufe" der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Weiterhin ist vorgesehen, dass zukünftig Lehrmaterialien im Reha-Wiki, einer für Lehrpersonal zugänglichen und kostenfreien Datenbank mit bisherigem Fokus auf die Humanmedizin, auch für die genannten Berufsfelder bereitgestellt werden sollen (Schmidt & Mau, 2019). Die bestehenden Chancen zur Qualifizierung des Personals über einen besseren Rehabilitationsbezug der Ausbildung sollten von allen Akteuren genutzt werden.
Literatur
Mau W, Bengel J, Pfeifer K. (2017): Rehabilitation in der Aus-, Fort- und Weiterbildung beteiligter Berufsgruppen. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 60. 402-409.
Lehmann Y, Ayerle GM, Beutner K, Behrens J, Landenberger M. (2014): Bestandsaufnahme der Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen im europäischen Vergleich (GesinE): Zentrale Ergebnisse und Schlussfolgerungen.
Luhmann S, Vogt U. ICF in der Physiotherapieausbildung (2016): Integriert der Unterricht der Physiotherapiefachschulausbildung die ICF? Physioscience, 12. 2-10.
Schäfer P. & Bartosch U. (2016): Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit (QR SozArb) Version 6.0, unter: http://www.fbts.de/fileadmin/fbts/QR_SozArb_Version_6.0.pdf
Schmidt S., Mau W. (2019): Entwicklung eines Reha-Wikis für rehabilitationsbezogene Lehrmaterialien mit Zuordnung zu kompetenzbasierten Lernzielen. Rehabilitation 58; 128-135.