Hintergrund und Zielstellung
Depression und chronische Rückenschmerzen treten häufig komorbid auf und sorgen nicht nur für eine Beeinträchtigung der Betroffenen, sondern auch für hohe Kosten im Gesundheitssystem (König et al., 2019; Wenig et al., 2009). Internet- und mobilebasierte Interventionen (IMIs) könnten bei der Prävention von Depressionen hilfreich sein, da sie unabhängig von Zeit und Ort sind und somit für eine breite Bevölkerungsschicht zur Verfügung gestellt werden können (Ebert et al., 2017). Für die Wirksamkeit internetbasierter Präventions-Interventionen liegen erste Belege vor (Sander et al., 2016) - im Hinblick auf die Kosteneffektivität besteht bisher jedoch noch wenig Evidenz (Paganini et al., 2017). In einer kürzlich publizierten Studie konnte erstmals die Wirksmakeit eines internetbasierten Präventionsprogramms gegen Depressionen bei Personen mit komorbiden chronischen Rückenschmerzen im Rahmen der Reha-Nachsorge gezeigt werden (Sander et al., 2020). Das Ziel dieser Arbeit ist nun die Kosteneffektivität dieser IMI zu evaluieren und dadurch weitere Schlussfolgerungen für eine mögliche Implementierung der IMI in die Regelversorgung zu ziehen.
Methoden
Es wurde eine Kosteneffektivitäts-Analyse mit „depressionsfreie Wochen“ (basierend auf dem SKID) als Haupt-Outcome sowie eine Kosten-Nutzwert-Analyse mit qualitätsadjustierten Lebensjahren (QALY; basierend auf dem AQoL-6D) als Haupt-Outcome durchgeführt. Die Analysen erfolgten aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive auf Grundlage einer randomisiert kontrollierten, multizentrischen Studie (PROD-BP) mit 295 Rehapatient*innen mit chronischen Rückenschmerzen und diagnostizierter Depression. Die Rekrutierung fand deutschlandweit in 82 orthopädischen Rehabilitationskliniken statt. N = 149 Personen erhielten eine begleitete IMI zur Prävention von Depression (Interventionsgruppe; IG), und n = 146 Personen erhielten Regelversorgung (Kontrollgruppe; KG). Die Studienteilnehmer*innen wurden zur Baseline, bei Entlassung, nach neun Wochen sowie nach sechs und zwölf Monaten online beziehungsweise telefonisch befragt. Direkte und indirekte Kosten wurden über einen Zeitraum von zwölf Monaten (mit dem TiC-P-Fragebogen) erhoben.
Ergebnisse
Insgesamt waren 62,4 % der Teilnehmer*innen weiblich, das Durchschnittsalter lag bei 52,8 (SD = 7,7). In der IG zeigten sich im Vergleich zur KG mehr depressionsfreie Wochen, wobei dieser Unterschied nicht signifikant war. Der mittlere QALY-Gewinn in der IG (M = 0.36; SD = 0.07) war signifikant höher als in der KG (M = 0.34; SD = 0.08). Die Gesamtkosten waren in der IG durchschnittlich 719€ geringer als in der KG. Sowohl die Kosteneffektivitäts- als auch die Kosten-Nutzwert-Analyse ergaben, dass die IG die KG dominierte.
Diskussion und Fazit
Die Ergebnisse dieser gesundheitsökonomischen Evaluation deuten darauf hin, dass die untersuchte IMI im Setting der Reha-Nachsorge nicht nur als effektiv sondern auch als kosteneffektiv angesehen werden kann. Die IMI führte im Vergleich zur KG zu geringeren Kosten bei gleichzeitig verbesserten Gesundheitsoutcomes (mehr depressionsfreien Wochen und QALYs). Somit könnte diese IMI eine wirksame und kosteneffektive Ergänzung der Reha-Nachsorge darstellen, um depressiven Erkrankungen bei chronischen Rückenschmerzpatient*innen präventiv vorzubeugen.
Literatur
Ebert, D. D., Cuijpers, P., Muñoz, R. F. & Baumeister, H. (2017). Prevention of Mental Health Disorders Using Internet-and Mobile-Based Interventions: A Narrative Review and Recommendations for Future Research. Frontiers in psychiatry, 8, 116. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2017.00116
König, H., König, H.-H. & Konnopka, A. (2019). The excess costs of depression: a systematic review and meta-analysis. Epidemiologia e psichiatria sociale, 29, e30. https://doi.org/10.1017/S2045796019000180
Paganini, S., Teigelkötter, W., Buntrock, C. & Baumeister, H. (2017). Economic evaluations of internet-based interventions for treatment and prevention of depression: A systematic review. Journal of affective disorders. 10.1016/j.jad.2017.07.018
Sander, L. B., Paganini, S., Terhorst, Y., Schlicker, S., Lin, J., Spanhel, K., Buntrock, C., Ebert, D. D. & Baumeister, H. (2020). Effectiveness of a Guided Web-Based Self-help Intervention to Prevent Depression in Patients With Persistent Back Pain: The PROD-BP Randomized Clinical Trial. JAMA psychiatry. Vorab-Onlinepublikation. https://doi.org/10.1001/jamapsychiatry.2020.1021
Sander, L. B., Rausch, L. & Baumeister, H. (2016). Effectiveness of Internet-Based Interventions for the Prevention of Mental Disorders: A Systematic Review and Meta-Analysis. JMIR mental health, 3(3), e38. https://doi.org/10.2196/mental.6061
Wenig, C. M., Schmidt, C. O., Kohlmann, T. & Schweikert, B. (2009). Costs of back pain in Germany. European journal of pain, 13(3), 280–286. https://doi.org/10.1016/j.ejpain.2008.04.005
Hintergrund und Zielstellung
Zur Aufrechterhaltung des in der psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahme erzielten Effektes und zum Übertrag in den Alltag ist bei etwa 70% der Rehabilitanden eine psychosomatische Nachsorge indiziert (Harfst et al., 2002). Auf Grund der geringen wohnortnahen Versorgung mit Nachsorgetherapeuten ist die Nutzung digitaler Angebote eine Möglichkeit, einen ortsunabhängigen Zugang zu ermöglichen. Bezogen auf die Rehabilitation konnte für verschiedene Angebote zur Therapie psychischer Störungen gezeigt werden, dass internetbasierte Angebote wirksamer sind als die Standardnachsorge (face-to-face-Angebote, F2F) bzw. keine standardisierte Nachsorge (Care-as-Usual, CAU; Ebert et al., 2013).
Ziel dieser randomisierten Studie ist die Evaluation der therapeutischen Effekte einer online-Video-Gruppennachsorge im Anschluss an eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme (mit Fokus auf die Ausprägung der psychischen und somatoformen Beschwerden sowie Erwerbstätigkeitsprognose bzw. Arbeitsfähigkeit) im Vergleich zu einer „regulären“ F2F-Therapie im ersten Studienarm und zu Care-as-Usual im zweiten.
Methoden
Psychosomatische Rehabilitanden mit Nachsorgeindikation wurden bei einem wohnortnahen (=in 45min Umkreis) vorhandenen Nachsorgeangebot per Randomisierung der F2F-Nachsorge oder der online-Nachsorge in der Äquivalenzstudie zugeteilt. Ohne freie wohnortnahe Plätze erfolgte innerhalb der Überlegenheitsstudie die Randomisierung zur online-Therapie oder CAU.
Analysiert wurden die Angaben von 253 Teilnehmenden (Alter 21-67 Jahre, Durchschnitt 50,2 Jahre; 66,8% weiblich, 33,2% männlich); n=142 Rehabilitanden nahmen an der Äquivalenzstudie (Online-Gruppe: n=74, F2F-Gruppe: n=68), n=111 an der Überlegenheitsstudie (Online-Gruppe: n=68, CAU-Gruppe: n=43) teil.
Die Befragung erfolgte mittels online-Fragebogen am Ende der Rehabilitationsmaßnahme (T1), 9 bzw. 12 (T2) und 15 bzw. 18 (T3; Überlegenheits- bzw. Äquivalenzstudie) Monate nach Ende der Rehabilitation. Erhebungsinstrumente waren HEALTH-49 als primärer Endpunkt, die Skala zur subjektiven Erwerbstätigkeitsprognose und der Arbeitsfähigkeitsindex als sekundäre Endpunkte.
Ergebnisse
In der Überlegenheitsstudie zeigte sich zum Post-Zeitpunkt weniger psychischen und somatoformen Beschwerden in der CAU-Gruppe (d=.56, p=.006), während die Online-Gruppe längerfristig günstigere Werte zu T3 aufwies (d=.72 p < =.001). Der apriori definierte Effekt für eine klinisch relevante Überlegenheit betrug Cohens d > .60, was für die Online-Gruppe zu T3 zutraf. Die Analysen erfolgten auf der Grundlage imputierter Daten bei fehlenden Werten mittels ANCOVA.
Für die Äquivalenzstudie wurden zunächst die Daten der Studien-Completer analysiert. In Bezug auf die psychischen und somatoformen Beschwerden konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Interventionsformaten gefunden werden (T2 d=.09; T3 d=.03). Erfolgt die Analyse Intention-to-treat Prinzip auf der Grundlage imputierter Daten zeigten sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede. Die Effekte lagen zu T2 bei d=.28 und T3 bei d=.10 und damit unterhalb der apriori definierten Äquivalenzmargin von d=.29.
Die Ergebnisse in den sekundären Endpunkten werden im Vortrag ebenfalls präsentiert.
Diskussion und Fazit
Die vorliegende Studie zeigt erstmalig für den Bereich der psychosomatischen Nachsorge, dass das Curriculum Hannover online durchgeführt werden kann. Die Ergebnisse weisen zum einen darauf hin, dass das Curriculum Hannover online einen längerfristigen Vorteil für Rehabilitanden bietet, die keinen Zugang zur bisherigen Regelversorgung mit dem Curriculum Hannover haben. Zum anderen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die webbasierte Durchführung keinen Nachteil gegenüber einer F2F-Durchführung mit sich bringt und als äquivalent angesehen werden kann. Dies ermöglicht eine Wahlfreiheit der Rehabilitanden zwischen beiden Optionen bei wohnortnah vorhandenem Nachsorgeangebot.
Die Stärke dieser Studien besteht darin, dass nun erstmalig Daten zu einer webbasierten Durchführung des Curriculum Hannovers vorliegen. Wichtige Limitationen betreffen eine hohe Dropout-Quote, insbesondere in der Äquivalenzstudie. Durch die randomisierte Zuteilung zu einer Durchführung online vs. F2F konnte zudem nicht erhoben werden, welche positiven Effekte durch eine freie Auswahl des Formates im Hinblick auf die Wirksamkeit und Adhärenz erreicht werden können.
Die vorliegenden Ergebnisse sind medizinisch und sozioökonomisch relevant, da bei den meisten psychosomatischen Rehabilitanden eine Nachsorge indiziert ist, jedoch aus verschiedenen Gründen nicht in Anspruch genommen werden kann (Harfst et al., 2002; Kobelt et al., 2004, DRV 2018). Die Etablierung eines digitalen psychosomatischen Nachsorge-Angebotes stellt eine bedeutende Stellschraube dar, um Nachsorge wohnortunabhängig und damit Teilhabe auch in besonderen Zeiten (wie der Corona-Pandemie) zu ermöglichen.
Literatur
1. Deutsche Rentenversicherung: Anforderungen an Tele-Reha-Nachsorge. Anlage 3 zum Rahmenkonzept zur Nachsorge nach medizinischer Rehabilitation. Stand: Februar 2017 (in der Fassung vom 02. Januar 2018)
2. Ebert D, Tarnowski T, Gollwitzer M, Sieland B. A Transdiagnostic Internet-Based Maintenance Treatment Enhances the Stability of Outcome after Inpatient Cognitive Behavioral Therapy: A Randomized Controlled Trial. Psychotherapy and psychosomatics. 82. 246-256; doi: 10.1159/000345967
3. Harfst T, Koch U, Schulz H. Nachsorgeempfehlungen in der psychosomatischen Rehabilitation – empirische Analysen auf der Basis des einheitlichen Entlassungsberichtes der Rentenversicherungsträger. Rehabilitation (Stuttg) 2002; 41(6): 407-414; doi: 10.1055/s-2002-36285
4. Kobelt A, Nickel N, Grosch EV et al. Inanspruchnahme psychsomatischer Nachsorge nach stationärer Rehabilitation. Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54(2): 58-64; doi: 10.1055/s-2003-812612
Hintergrund und Zielstellung
COPD ist eine chronisch degenerative Erkrankung, die durch eine irreversible Obstruktion der Atemwege gekennzeichnet ist. Die Prävalenz der COPD in der erwachsenen Bevölkerung über 40 Jahre wird auf ca. 10% geschätzt. Ein Anstieg wird erwartet (RKI, 2020). Krankheits-folgen der COPD sind Atemnot, Husten und Auswurf. Der medizinischen Rehabilitation kommt beim Krankheitsmanagement eine zentrale Bedeutung zu (Koczulla et al., 2018). Ne-ben krankheitsspezifischen Schulungen zählt körperliches Training zu den wichtigsten Thera-piebausteinen (Pfeifer, Geidl, 2017). Die Effektivität pneumologischer Rehabilitation gilt als belegt, allerdings sind die Effekte nicht nachhaltig (Ochmann, Nowak, 2007). Daher sind Nachsorgestrategien erforderlich, die die Rehabilitanden im häuslichen Alltag weiter unter-stützen. In vorliegender Studie wurde Nachsorgekonzept „Neues Credo“ (Deck et al., 2012) evaluiert.
Methoden
Das Neue Credo wurde im Rahmen einer prospektiven, kontrollierten Längsschnittstudie in einer pneumologischen Reha-Einrichtung evaluiert. Eingeschlossen wurden Rehabilitanden mit einer gesicherten COPD-Diagnose. Die Prüfung der Wirksamkeit erfolgte mit einem qua-si-randomisierten Ansatz. Im sequenziellen Design wurden zunächst alle Rehabilitanden der Kontrollgruppe (KG) zugeordnet, danach erfolgte die Rekrutierung der Interventionsgruppe (IG). Sie führten eine Rehabilitation nach den Prämissen des Neuen Credo durch mit dem Schwerpunkt der Steigerung der körperlichen Aktivität.
Die Evaluation erfolgte durch schriftliche Befragung zu drei Messzeitpunkten, zu Beginn und am Ende der Reha sowie 12 Monate nach Reha-Ende. Primäre Zielgröße: Einschränkungen der Teilhabe (IMET), sekundäre Zielgrößen: u.a. COPD-spezifische Symptome (CAT), Depres-sivität (CESD), verschiedene Skalen der subjektiven Gesundheit sowie Ausmaß der körperli-chen Aktivität. Die Auswertung der Langzeiteffekte erfolgte mit Varianzanalysen mit Mess-wiederholung.
Ergebnisse
Nach Abschluss der Studie lagen die Daten von 149 Rehabilitanden der IG (Teilnahmequote 63%; Drop Out 34%) und 144 Rehabilitanden der KG (Teilnahmequote 60%; Drop Out 20%) vor. Für die Auswertungen wurden die Fälle mit kompletten Daten zu allen Messzeitpunkten herangezogen. Teilnehmer der IG und KG unterscheiden sich bei den Ausgangslagen bis auf zwei Parameter nicht. Signifikante Unterschiede betreffen die Berufstätigkeit und die Teil-habe. Rehabilitanden der IG sind häufiger berufstätig (p=0.015) und weisen geringere Teil-habeeinschränkungen auf (p < 0.01).
Am Ende der Reha ergeben sich für alle gesundheitsbezogenen Outcomes für beide Gruppen signifikante Verbesserungen. Während der Reha zeigen sich vor allem bei den aktivitätsbe-zogenen Therapieangeboten signifikante Unterschiede zugunsten der IG. Hinsichtlich der Nachsorge erhält die IG signifikant mehr Informationen zur Fortführung bestimmter Behand-lungen am Wohnort (80% vs. 60%, p < 0.01) und mehr schriftliches Informationsmaterial (95% vs. 80%, p < 0.01); sie werden signifikant häufiger auf die Bedeutung der Eigeninitiative hin-gewiesen (99% vs. 87%, p < 0.01). Bei allen Bewertungen der Nachsorge-Empfehlungen der Klinik unterscheiden sich die beiden Gruppen signifikant (p < 0.01) zugunsten der IG.
Zwölf Monate nach der Rehabilitation sind im Verlauf für beide Gruppen in den meisten Outcomes signifikante Zeiteffekte festzustellen (p < 0.01). Ausnahmen bilden das primäre Outcome Teilhabe und die Leistungsfähigkeit in verschiedenen Lebensbereichen. Signifikante Unter-schiede zwischen den IG und KG ergeben sich bei Depressivität (p=0,034)und beim COPD Assessment Test (p=0.048), eine eindeutige Tendenz zeigt sich für die Subskalen der Lebens-qualität (p=0,057 bzw. p=0,088).
Die IG berichtet hinsichtlich der Steigerung körperlicher Aktivität signifikant häufiger, dass sie ihre subjektiven Reha-Ziele erreichen konnten (69% vs. 34%, p < 0.01). Darüber hinaus haben sie das Ausmaß der körperlichen Aktivität in der Zeit nach der Reha in stärkerem Um-fang als die KG gesteigert (p=0.064) Sie nutzen häufiger einen Sportverein (15% vs. 5%, p < 0.01) und betrieben im Katamnesezeitraum signifikant häufiger Ausdauersport (46% vs. 21%, p < 0,01).
Diskussion und Fazit
Das Neue Credo bei Rehabilitanden mit einer COPD erwies sich als praktikabel, das Klinik-personal und die Rehabilitanden waren mit dem Konzept sehr zufrieden. Bei den gesund-heitsbezogenen Outcomes ergab sich für das primäre Outcome Teilhabe weder ein zeitlicher noch einen Gruppeneffekt. Hinsichtlich der verschiedenen sekundären Zielgrößen ergaben sich positive Effekte zugunsten der IG, die bei zwei Outcomes statistische Signifikanz erreich-ten. Bei der Steigerung der körperlichen Aktivität ist die IG klar im Vorteil, sowohl bei der Zielerreichung, als auch hinsichtlich der Nutzung von Sportangeboten. Vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung körperlicher Aktivität bei COPD ist dies als Erfolg zu bewerten, da einem weiteren Muskelabbau, insbesondere auch der Lunge, vorgebeugt wird. Die Be-funde der gesteigerten körperlichen Aktivität der IG müssen auch vor dem Hintergrund der Schwere der Krankheit diskutiert werden. Im Unterschied zu anderen chronischen Erkran-kungen haben COPD Patienten bei jeder Art von körperlicher Aktivität Atemnot, die lebens-bedrohlich wirken kann. Sie neigen deshalb dazu, sich körperlich zu schonen. Mit den Bewe-gungstagebüchern erfahren die COPD-Patienten Erfolgserlebnisse, aus denen sie Motivation und Kraft schöpfen können.
Literatur
Deck R, Schramm S, Hüppe A. Begleitete Eigeninitiative nach der Reha („neues Credo“) – ein Erfolgsmodell? Rehabilitation 2012; 51: 316–325
Koczulla A R, Kenn K, Böselt T, Spielmanns M, Schneeberger T, Gerlach K, Sczepanski B, Glöckl R. Rehabilitation nach stationärer COPD. Klinikarzt 2018; 47: 62-69
Ochmann U, Nowak D. Langzeiteffekte der pneumologischen Rehabilitation bei COPD und interstitiellen Lun-generkrankungen. Dtsch Med Wochenschr 2007; 132: 627–632
Pfeifer K, Geidl W. E Bewegungsempfehlungen für Erwachsene mit einer chronischen Erkrankung – Methodi-sches Vorgehen, Datenbasis und Begründung. Gesundheitswesen 2017; 79 (Suppl. 1): S29–S35
Robert Koch-Institut (RKI)
https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Themen/Chronische_Erkrankungen/lungenerkrankungen/lungenerkrankungen_node.html . Letzter Zugriff: 03.11.2020
Hintergrund und Zielstellung
Eine Tumorerkrankung und deren Therapien können zu gesundheitlichen Beschwerden und Einschränkungen in der Teilhabe am Arbeitsleben und in der Gesellschaft führen (Weis und Faller 2012). Zur Bewältigung dieser Einschränkungen müssen Patienten Versorgungsangebote in den stationären und ambulanten Sektoren zur Verfügung gestellt werden. Die stationäre Rehabilitation stellt mit ihrer Nachsorgeplanung und dem Reha-Entlassungsbericht ideale Ausgangsbedingungen für eine sektorenübergreifende Versorgung bereit (DRV, 2018). Im ambulanten Setting ist der weiterbehandelnde Arzt aus Sicht onkologischer Patienten ein zentraler Ansprechpartner, der auch unterstützende Aufgaben bei der Umsetzung der Reha-Nachsorgeempfehlungen übernehmen soll Kähnert et al., 2016). In diesem Zusammenhang sollen die Fragen beantwortet werden: Wie bewerten niedergelassene Ärzte (a) die Zusammenarbeit mit Reha-Kliniken und (b) den Reha-Entlassungsbericht? und (c) Welche Verbesserungswünsche bestehen?
Methoden
Im Rahmen der EmoR-Studie (EmoR=Entlassungsmanagement in der onkologischen Rehabilitation) haben 41 Ärzte (Onkologen, Gynäkologen, Hausärzte), deren Patienten eine onkologische Rehabilitation abgeschlossen hatten, schriftlich zu den Themen Zusammenarbeit, Reha-Entlassungsbericht und Verbesserungswünsche Stellung genommen (Rücklauf 11%). Zudem wurden mit 10 Ärzten telefonische Interviews von durchschnittlich 30 Minuten zu den genannten Themen geführt. Die Fragebögen wurden deskriptiv und die Interviews inhaltanalytisch (Mayring, 2015) ausgewertet.
Ergebnisse
Die Zusammenarbeit mit den Reha-Kliniken wird von 70% der Ärzte positiv bewertet und im Interview wird betont: „Es läuft ja gut und für die Regelfälle würde ich auch gar nicht mehr Zeit aufwenden wollen“ (G2001, Abs. 12). Eine intensivere Zusammenarbeit wird für „Problemfälle“ gewünscht: „(…) mich darf gerne jemand auch mal anrufen oder sagen hier sehe ich eine Problematik bei der Patientin, können Sie da mit mir an einem Strang ziehen“ (G1227, Abs. 22). Die Zusammenarbeit wird als wichtig erachtet, denn „(…) je besser der Schulterschluss zwischen den ganzen Institutionen ist, desto besser gelingt die Patientenversorgung“ (G1227, Abs. 24).
Der Reha-Entlassungsbericht stellt mit 85% Zustimmung das entscheidende ‚Kommunikationsinstrument‘ dar. Zurzeit ist „ein direkter Kontakt seitens der Reha-Klinik selten“ (H1383, F21), wobei ein telefonischer Informationsaustausch von den Ärzten bevorzugt gewünscht wird: „Es läuft ja wirklich viel einfacher, wenn man mal kurz miteinander redet, als wenn man schriftlich aneinander vorbeiarbeitet“ (G2001, Abs. 25). Die Zusammenarbeit könnte aus Sicht der Niedergelassenen verbessert werden, indem ‚Informationen frühzeitiger gegeben werden‘, ‚gemeinsame Absprachen zur Weiterbehandlung erfolgen würden‘ sowie die ‚strukturellen Voraussetzungen für eine Kontaktaufnahme geschaffen werden‘, wie die Erreichbarkeit z.B. über „Telefonsprechstunden“ (H1132, Abs. 18), „E-Mails“ (F1112, F21) jeweils mit Angaben „fester Rückrufzeiten“ (G2100, Abs. 28).
Vom Reha-Entlassungsbericht werden am häufigsten die Berichtsteile ‚Blatt 2: Abschlussbefund / Reha-Ergebnis‘ und ‚Blatt 2: Empfehlungen für weiterführende Maßnahmen’ sowie der gesamte „sozialmedizinische Bereich“ (G1227, Abs. 31) gelesen, weil „sie für die Unterstützung der Patienten sehr wichtig sind“ (H1132, Abs. 22). Berichtsteile, wie ‚Blatt 1b: durchgeführte therapeutische Leistungen‘ und ‚Blatt 2: Arztbericht: Anamnese, Diagnostik und Rehabilitationsverlauf‘ werden hingegen nur von etwa einem Drittel der Ärzte ‚oft/sehr oft‘ gelesen. Dies wird z.T. damit begründet, dass die Berichte „zu lang“ sind und Informationen zur Anamnese und Diagnostik auch gekürzt werden könnten, „denn ich kenne ja meine Patientin“ (G1250, Abs. 23).
Die Mehrheit der Ärzte bewerten den Reha-Entlassungsbericht als ‚verständlich‘ (94%), ‚informativ‘ (85%) und ‚praxisnah‘ (70%). Fragen wie ‚der Bericht ist hilfreich für die Weiterbehandlung‘ oder ‚hilfreich für das Gespräch mit dem Patienten‘, werden jedoch von gut einem Drittel der Ärzte mit ‚befriedigend‘ oder ‚ausreichend‘ bewertet. Kritisiert wird, „dass manche Berichte sehr standardisiert wirken“ (H1383, Abs. 12), „individuelle Therapieempfehlungen fehlen“ (G1376, Abs. 48) oder „nicht klar definiert sind“ (H1132, Abs. 30) sowie „psychologische Nachsorge selten berücksichtigt wird“ (G1227, Abs. 34). Der Entlassungsbericht könnte nach Aussagen der Ärzte dadurch verbessert werden, indem er „mehr individuelle Empfehlungen“ (H1383, A 13), „konkrete Nachsorge-/Bewegungspläne“ (H1017, F21) sowie „Kontaktadressen (…), gerade für Psychoonkologen“ (G1385, Abs. 91) beinhalten würde. Zudem sollten bei der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung „die Arbeitsplatzsituation“ (G1227, Abs. 20) und „Komorbiditäten“ (F1017, F21) stärker mitberücksichtigt werden.
Diskussion und Fazit
Eine Zusammenarbeit hinsichtlich eines Informationsaustausches zwischen niedergelassenen Ärzten und onkologischen Reha-Kliniken findet selten statt, wird aber von den niedergelassenen Ärzten für Patienten mit erhöhtem Unterstützungsbedarf gewünscht, da diese sich positiv auf die Versorgung ihrer Patienten auswirkt. Um eine Zusammenarbeit zu fördern, sollten gemeinsame Absprachen zur Weiterversorgung der Patienten schon während des Reha-Aufenthaltes erfolgen und die strukturellen Voraussetzungen für eine Kontaktaufnahme und Erreichbarkeit geschaffen werden. Der Reha-Entlassungsbericht stellt das wesentlichste Kommunikationsinstrument zwischen Reha-Klinik und niedergelassenen Ärzten dar. Er sollte zukünftig weniger standardisierte Text-Bausteine und für die Teilhabe am Arbeitsleben und in der Gesellschaft mehr individualisierte Nachsorgeempfehlungen einschließlich konkreter Handlungspläne enthalten.
Literatur
Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) (2018). Rahmenkonzept zur Nachsorge. Für medizinische Rehabilitation nach § 15 SGB VI. Stand: Juni 2015 (in der Fassung vom 02. Januar 2018). Berlin.
Kähnert, H., Exner A.-K., Leibbrand B. (2016): Berufliche Rückkehr nach Abschluss einer onkologischen Rehabilitation. Welche Unterstützung ist aus Patientensicht erforderlich. DRV-Schriften Band 109. 54–55.
Mayring, P. (2015). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (Beltz Pädagogik, 12., aktualisierte und überarb. Aufl.). Weinheim [u.a.]: Beltz.
Weis, J., Faller, H. (2012). Psychosoziale Folgen bei Langzeitüberlebenden einer Krebserkrankung. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz; 55: 501–508.