Hintergrund und Zielstellung
Chronische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter können, unabhängig von indikationsspezifischen Beeinträchtigungen, weitreichende Konsequenzen für die allgemeine Lebensführung und für die körperliche, psychische, soziale Entwicklung des Kindes bis ins Erwachsenenalter nach sich ziehen (Widera et al., 2017). Bei der meist (lebens-)langen Bewältigung einer chronischen Erkrankung spielt die Selbstregulation eine maßgebliche Rolle. Neben den subjektiven Vorstellungen zur Erkrankung können auch die patientenseitigen Annahmen über die Behandlung als Ausgangspunkt des Selbstregulationsprozesses konzeptualisiert werden (vgl. Common-Sense-Selbstregulation-Modell; Leventhal et al., 1980). Empirisch wurde die Bedeutsamkeit des subjektiven Behandlungskonzepts insbesondere in Untersuchungen zur Adhärenz gegenüber Behandlungen vielfach bestätigt (Horne et al., 2013). Das subjektive Behandlungskonzept umfasst je nach betrachteter Behandlungsform und -setting unterschiedliche inhaltliche Dimensionen, die auch in entsprechenden Assessmentinstrumenten abgebildet werden. Auch im Rehabilitationskontext liegen bereits Instrumente für Erwachsene vor, die beispielsweise die Notwendigkeit, Befürchtungen, Prozess- und Ergebniserwartungen von Rehabilitand*innen erfassen (z.B. Glattacker et al., 2009). Für die Kinder- und Jugendrehabilitation, die in der multimodalen Versorgung chronisch erkrankter Kinder und Jugendlicher ein wichtiger Bestandteil ist, existiert bislang kein entsprechendes Erhebungsinstrument. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Beitrag die Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung des subjektiven rehabilitationsbezogenen Behandlungskonzepts von Kindern und Jugendlichen vorgestellt.
Methoden
Die Item-Entwicklung basierte im ersten Schritt auf inhaltsanalytisch gewonnenen Ergebnissen leitfadengestützter Interviews mit jugendlichen Rehabilitand*innen der Edelsteinklinik, die zu ihren subjektiven Vorstellungen und Erwartungen gegenüber der beginnenden Rehabilitation explorativ befragt wurden (Metzner et al., 2019). Zudem wurden Fragebögen aus dem Erwachsenenbereich einbezogen und ein umfangreicher Item-Pool zusammengestellt. Im zweiten Schritt wurden die Items im Rahmen eines kognitiven Pretests mit jugendlichen Rehabilitand*innen auf ihre Verständlichkeit, Schwierigkeit und Praktikabilität geprüft. Anschließend wurde der überarbeitete Item-Pool in einem dritten Schritt in einer quantitativen Befragung in der Edelsteinklinik eingesetzt. Die jugendlichen Rehabilitand*innen beantworteten die Items zu Beginn ihrer Rehabilitationsmaßnahme. Auf Basis dieser Datenerhebung wurden psychometrische Kennwerte der Items (Anteil fehlender Werte, Schiefe, Kurtosis, Schwierigkeitsindex nach Dahl, measure of sample adequacy (MSA)), die faktorielle Validität mittels exploratorischer Faktorenanalyse, die Reliabilität (McDonald´s Omega hierarchisch (ωh)) der identifizierten Skalen und Trennschärfen der Items analysiert.
Ergebnisse
Im ersten Schritt wurde ein Item-Pool mit 130 Items entwickelt. Infolge des im zweiten Schritt durchgeführten kognitiven Pretests mit N=4 Rehabilitand*innen (Alter 13,8 Jahre) wurden geringfügige Modifikationen vorgenommen. Der überarbeitete Item-Pool (n=129 Items) wurde im dritten Schritt in der quantitativen Befragung eingesetzt, an der N=170 jugendliche Rehabilitand*innen teilnahmen. Das durchschnittliche Alter betrug 14,3 Jahre (SD=1,6), 53,5% waren weiblich und die häufigste Diagnose war Adipositas (51,5%).
Nach der Itemanalyse gingen n=47 Items in die exploratorische Faktorenanalyse ein. Der Anteil fehlender Werte dieser Items bewegte sich zwischen 0% bis 4,12%, die Schiefe lag zwischen -1,93 und 0,90 und die Kurtosis zwischen -1,17 und 4,64. Der Schwierigkeitsindex nach Dahl zeigte einen Range von 26,35 bis 89,02, wonach psychometrisch betrachtet weder sehr schwere ( < 20) noch sehr leichte ( > 90) Items vorlagen. Der MSA zeigte mit Werten > 0.60 eine gute Eignung der einzelnen Items für die exploratorische Faktorenanalyse. Unter Einschluss lediglich derjenigen Items, die eine Faktorladung > .32 (d.h. mehr als 10% Varianzaufklärung), keine Doppelladungen und Kommunalität > .40 aufwiesen, wurden vier Faktoren extrahiert. Inhaltlich können diese Faktoren als „Erwartungen an Kommunikation und Interaktion“ (5 Items), „Erwartungen an den Behandlungsprozess“ (7 Items), „Erwartungen an Behandlungserfolg und Nachhaltigkeit“ (6 Items) und „Erwartungen an das eigene Verhalten im Reha-Prozess“ (4 Items) interpretiert werden. Die Koeffizienten des Reliabilitätsschätzers McDonald´s Omga (hierarchisch) lagen zwischen .68 und .75, Kennwerte ab .70 gelten als akzeptabel. Die Trennschärfen der Items der jeweiligen Skala lagen mit Werten zwischen 0,46 bis 0,72 in einem guten Bereich.
Diskussion und Fazit
Unter Einbezug der Zielgruppe jugendlicher Rehabilitand*innen und der Literatur wurde ein umfangreicher Item-Pool entwickelt. Erste psychometrische Analysen zeigten akzeptable Ergebnisse hinsichtlich der Itemkennwerte, der faktoriellen Validität mittels exploratorischer Faktorenanalyse, Reliabilität und Trennschärfe. Künftige Studien sollten die Prüfung der vier extrahierten Skalen um weitere Validitäts- und Reliabilitätskennwerte ergänzen. Mit dem entwickelten Fragebogen liegt ein Instrument vor, mit welchem das subjektive rehabilitationsbezogene Behandlungskonzept von Kindern und Jugendlichen relativ ökonomisch erfasst werden kann. Unabhängig von der noch zu prüfenden Frage, ob das subjektive Behandlungskonzept auch in der Population der Kinder und Jugendlichen relevante Outcomes wie z.B. Adhärenz bedingt, bietet das Konstrukt vielfältige Ansatzpunkte die subjektiven Vorstellungen und Erwartungen jugendlicher Rehabilitand*innen in die Gestaltung der Behandlung einzubeziehen.
Literatur
Glattacker, M., Heyduck, K., Meffert, C. (2009): Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung des subjektiven Behandlungskonzepts von Rehabilitanden. Rehabilitation, 48. 345-353.
Horne, R., Chapman, S.C.E., Parham, R., Freemantle, N., Forbes, A., Cooper, V. (2013): Understanding Patients´ Adherence-Related Beliefs about Medicines Prescribed for Long-Term Conditions: A Meta-Analytic Review of the Necessity-Concerns-Framework. PLOS ONE, 8, 12. e80633.
Leventhal, H., Meyer, D., Nerenz, D. (1980): The common sense representation of illness danger. In Rachman, S. (Ed.): Contributions to medical Psychology. Oxford: Pergamon. 7-30.
Metzner, G., Höhn, C., Waldeck, E., Glattacker, M. (2019): Subjektive Behandlungskonzepte von Jugendlichen zur Kinder- und Jugend-Rehabilitation – eine qualitative Analyse. DRV-Schriften, Bd. 117. 424-425.
Widera, T., Baumgarten, E., Druckenmüller, A., Niehues, C. (2017): Kinder- und Jugendlichen-Rehabilitation – Stand und Perspektiven aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung. Rehabilitation, 56. 91-102.
Hintergrund und Zielstellung
Rehabilitation (Reha) spielt nicht nur im Erwachsenensektor eine wichtige Rolle: laut dem Statistikportal der Deutschen Rentenversicherung kam es 2018 zu 32.757 abgeschlossenen Leistungen medizinischer Reha bei Kindern, davon ca. 2% neuropädiatrische Reha (Deutsche Rentenversicherung, 2019). Einige Studien liefern Hinweise darauf, dass Kinder und Jugendliche mit angeborenen oder erworbenen Hirnschäden ihre Fähigkeiten durch Reha verbessern (z.B. Chen et. al., 2004). Trotzdem gibt es vor allem im deutschsprachigen Raum sehr wenige Studien zur Wirksamkeit neuropädiatrischer Reha.
Die retrospektive Analyse von Daten aus der St. Mauritius Therapie-Klinik in Meerbusch soll untersuchen, ob und in welchem Maße eine Verbesserung kindlicher Fähigkeiten durch stationäre neuropädiatrische Reha erreicht wird
Methoden
In die Studie eingeschlossen wurden 738 Patient*innen im Alter von 0-18 Jahren (Mittelwert 9,2 Jahre, SD 5,1) mit den Diagnosen Zerebralparese (n= 503), Schädel-Hirn-Trauma (n= 143) und Schlaganfall (n= 92) sowie einer stationären Reha von mindestens 21 Tagen (Mittelwert 53,8 Tage, SD 33,7).
Als Messinstrumente der Fähigkeiten wurden der Pediatric Evaluation of Disability Inventory (PEDI) und der Gross Motor Function Measure (GMFM) herangezogen.
Der PEDI-Fragebogen ist ein etabliertes Messinstrument zur Evaluation von Fähigkeiten in den Bereichen „Selbstständigkeit“, „Mobilität“ und „Soziale Funktion“; es können damit sowohl Scaled Scores für alle Patient*innen errechnet werden, welche die gezeigten Fähigkeiten relativ zum maximal erreichbaren Scorewert von 100 Punkten beschreiben, als auch Standardwerte für Patient*innen von 0.6-7.5 Jahren, welche die gezeigten Fähigkeiten im Bezug zur Altersgruppe einordnen (Haley et. al., 1992; Nichols et. al., 1996). Der PEDI wird von den Eltern oder bei älteren Kindern/ Jugendlichen auch von diesen selbst ausgefüllt.
Der GMFM ist ein Messinstrument zur Evaluation grobmotorischer Fähigkeiten (Russell et. al., 1989) mit einem Maximalwert von 100 Punkten. Er wird von den Therapeuten erhoben.
Die Werte (PEDI, GMFM) der Aufnahme- und Entlassungsuntersuchung wurden mittels Wilcoxon-Tests auf statistische Unterschiede geprüft.
Bei einer Untergruppe von Patient*innen (n=96), die zu einer zweiten Reha nach durchschnittlich 1,6 Jahren aufgenommen worden waren, wurden die Veränderungen der Werte innerhalb der ersten Reha mit denen in der Zeit zwischen Entlassung aus der ersten Reha und Aufnahme zur zweiten Reha verglichen.
Ergebnisse
Es zeigte sich sowohl im GMFM als auch im PEDI (Scaled Scores und Standardwerte) eine hochsignifikante Veränderung der Scores von Aufnahme bis Entlassung (jeweils p < 0,001). So verbesserte sich der Median der GMFM-Scores um 24,1 Punkte. Im PEDI (Scaled Scores) zeigte sich die größte Steigerung im Bereich „Mobilität“ (11,9 Punkte), gefolgt von „Selbstständigkeit“ (6,1 Punkte) und „Soziale Funktion“ (3,6 Punkte).
Der Vergleich der ersten Reha mit der Zeit zwischen erster und zweiter Reha zeigte, dass vor allem in den motorischen Fähigkeiten (PEDI-Mobilität bzw. GMFM) durch die Reha hochsignifikant größere Verbesserungen erzielt wurden als in der Zeit zwischen den Rehas (je p < 0,001). Auch im Bereich „Selbstständigkeit“ des PEDI konnten sich die Patient*innen durch die Reha signifikant mehr verbessert als in der Zeit zwischen den Rehas (p= 0,047), nur im Bereich „Soziale Funktion“ des PEDI brachte die Reha keine signifikant größere Verbesserung (p= 0,181).
Diskussion und Fazit
Durch die Ergebnisse konnte die Hypothese bestätigt werden, dass sich die untersuchten Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen durch neuropädiatrische Reha signifikant verbessern. Auch konnte bestätigt werden, dass der in der Reha erzielte Erfolg nach der Reha weiter besteht. So erzielten die Patient*innen in dem mehrmonatigen poststationären Zeitraum leichte Fortschritte, diese lagen aber größtenteils deutlich unter denen der stationären Reha.
Als Einschränkung der Studie sind das Fehlen einer Kontrollgruppe und das inhomogene Patientenkollektiv zu nennen. Im Folgenden wäre es daher wichtig und interessant zu untersuchen, welche Patientengruppen von Reha besonders profitieren und welche Faktoren den Reha-Erfolg beeinflussen.
Literatur
Chen, C. C., Heinemann, A. W., Bode, R. K., Granger, C. V., & Mallinson, T. (2004): Impact of pediatric rehabilitation services on children’s functional outcomes. American Journal of Occupational Therapy, 58. 44–53
Deutsche Rentenversicherung (2019): Rehabilitation 2018. Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Bd. 216, S. 97, verfügbar unter: http://www.statistik-rente.de
Haley, S. M., Coster, W. J., Ludlow, L. H., Haltiwanger, J. T., Andrellos, P. A. (1992): Pediatric Evaluation of Disability Inventory: Development, Standardization and Administration Manual. Boston, MA. New England Medical Center Hospitals/ PEDI Research Group
Nichols, D. S., Case-Smith, J. (1996): Reliablity and validity of the Pediatric Evaluation of Disability Inventory. Pediatric Physical Therapy, 8. 15-24
Russell D. J., Rosenbaum P. L., Cadman D. T., Gowland C,. Hardy S., Jarvis S. (1989): The gross motor function measure: a means to evaluate the effects of physical therapy. Dev Med Child Neurol., 31. 341–352
Hintergrund und Zielstellung
Durch das „Flexirentengesetz“ (13.12.2016, BGBL Teil I, 59) stärkt der Gesetzgeber auch die Rehabilitation für Kinder und Jugendliche entscheidend. Nach §15a SGB VI wird die Kinder- und Jugendrehabilitation von einer Kann- zur Pflichtleistung der Deutschen Rentenversicherung. Ne-ben neuen Regelungen zur Mitnahme von Begleitpersonen, ambulanten Nachsorgeleistungen und der Streichung der frühesten Wiederholungsfrist ergibt sich aus dem gesetzlichen Anspruch nun auch, dass Rehabilitationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche zukünftig ambulant er-bracht werden können und nicht wie bislang ausschließlich stationär. Leistungsträger und Leis-tungserbringer stehen damit vor gänzlich neuen Herausforderungen. Richtlinien gilt es zu Erar-beiten und neue Konzepte zu schaffen. Ziel des Projektes war es, unter Einbezug aller beteiligter Akteure, die Frage „Wie kann und sollte eine ambulante Rehabilitation für Kinder- und Jugendli-che aussehen?“ zu explorieren und Empfehlungen für die Ausgestaltung einer ambulanten Re-habilitation für Kinder- und Jugendliche abzuleiten. Neben einer systematischen Literaturrecher-che und einer quantitativen Befragung erfolgte eine qualitative Befragung zur Bedarfsanalyse. In dem Beitrag sollen die Ergebnisse der qualitativen Befragung berichtet werden.
Methoden
Zur Erfassung des Bedarfs wurden leitfadengestützte Interviews und Fokusgruppen durchge-führt. Exploriert wurden Sichtweisen, Erwartungen und Vorstellungen sowie Kritikpunkte bezüg-lich der Kinder- und Jugendrehabilitation von Leistungserbringern und Betroffenen. Es wurden sowohl Ärzte und Therapeuten der Kinder- und Jugendrehabilitation (8 Interviews) als auch nie-dergelassene Kinder- und Jugendärzte (3 Interviews) interviewt. Außerdem wurden Eltern chro-nisch kranker Kinder (10 Interviews mit Eltern chronisch kranker Kinder ohne Rehabilitationser-fahrung, 4 Fokusgruppen mit Eltern von chronisch kranken Kindern in der Rehabilitation) sowie chronisch kranke Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren (2 Fokusgruppen mit Kin-dern, 3 Fokusgruppen mit Jugendlichen in der Rehabilitation) befragt.
Die Interviews und Fokusgruppen wurden digital aufgezeichnet, pseudonymisiert gespeichert und transkribiert. Die Auswertung erfolgt in Anlehnung an die Qualitative Inhaltsanalyse (May-ring, 2015).
Ergebnisse
Bei der Auswertung der Interviews und Fokusgruppen zeigte sich eine große Heterogenität. Be-stimmte Aspekte konnten sowohl als Vorteil als auch als Nachteil eingeordnet werden. Dies hing insbesondere von der Indikation bzw. Problematik ab, aber auch von der Altersgruppe. So wurde beispielsweise der „Verbleib im Umfeld“ für den Alltagstransfer von neuen Verhaltensweisen oder für Kinder mit Heimweh als Vorteil gesehen. Bei familiären Problemlagen oder Mobbingsi-tuationen wurde der „Verbleib im Umfeld“ als nachteilig bewertet und das stationäre Setting als sinnvoller angesehen.
Grundsätzlich wurde die Möglichkeit einer ambulanten Kinder- und Jugendlichenrehabilion als zusätzliches Angebot positiv bewertet.
Als ein wichtiger Aspekt stellte sich eine möglichst individuelle und flexible Gestaltung der ambu-lanten Kinder- und Jugendlichenrehabilitation dar. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der genannt wurde, war die Verbreitung von Informationen zum Rehabilitationsangebot von Kindern und Ju-gendlichen.
Als Vorteil wurden u. a. Vernetzungsmöglichkeiten mit Schule, ambulanten Akteuren und Be-troffenen, Möglichkeit der Langzeitbetreuung und des Alltagstransfers sowie der Einbezug der Eltern genannt.
Bedenken wurden u. a. bezüglich der Umsetzbarkeit und bezüglich der Entscheidung ambu-lant/stationär angeführt.
Diskussion und Fazit
Bei der Befragung zeigte sich, dass die Bedarfe bezüglich der Kinder- und Jugendlichenrehabili-tation insbesondere von der Indikation bzw. Problematik und vom Alter abhängen. Es sollte an-gestrebt werden, die ambulante Rehabilitation für Kinder und Jugendliche so individuell und fle-xibel wie möglich zu gestalten.
Literatur
Deutscher Bundestag (2016): Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben
in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im
Erwerbsleben (Flexirentengesetz). Bundesgesetzblatt, I(59). 2838-2847.
Mayring, P. (2015). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim, Beltz.
Hintergrund und Zielstellung
Kontextfaktoren spielen in der Selbstregulation chronischer Krankheiten eine zentrale Rolle. Sie nehmen Einfluss auf subjektive Krankheits- und Behandlungsannahmen, die Krankheitsbewältigung und das gesundheitsbezogene Outcome (Leventhal et al., 2003). Studien aus dem Kinder- und Jugendbereich zeigen, dass Kontextfaktoren wie z.B. das Alter, die Krankheitserfahrung oder die Einstellung der Eltern die Annahmen von Kindern und Jugendlichen zu ihrer Erkrankung beeinflussen (Paterson et al., 1999; Law et al., 2014). Untersuchungen zu Kontextfaktoren, die für subjektive Behandlungsannahmen von Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen bedeutsam sind, gibt es unseres Wissens hingegen bisher nicht.
Vor diesem Hintergrund analysiert der vorliegende Beitrag, welche subjektiven Kontextfaktoren jugendliche Rehabilitanden im Zusammenhang mit ihrem rehabezogenen Behandlungskonzept berichten.
Methoden
Zwischen Juli und September 2018 wurden Einzelinterviews mit jugendlichen Rehabilitanden der Edelsteinklinik zu ihren subjektiven rehabezogenen Behandlungsannahmen geführt. Die Interviews erfolgten leitfadengestützt, beginnend mit einem offenen Erzählteil mit einer narrationsfördernden Eingangsfrage sowie einem Nachfrageteil. Die Interviews wurden auf Tonband aufgezeichnet, transkribiert und mit Hilfe der Analysesoftware MAXQDA (Version 12) inhaltsanalytisch ausgewertet. Es wurden Regeln zur Kodierung der Interviews erstellt, die durch wiederholte Konsensbildung im Studienteam definiert wurden. Durch diesen systematischen, rekursiven Prozess wurde ein tragfähiges Codesystem entwickelt.
Ergebnisse
Es wurden 13 Interviews mit einer Dauer von 20-40 Minuten durchgeführt. Das mittlere Alter der Jugendlichen betrug 14,3 Jahre (Range 12-16 Jahre). Acht Teilnehmer waren männlich. Zehn Jugendliche waren zuvor noch nicht in Reha gewesen. Adipositas war die häufigste Erstdiagnose (N=7). Die in der Auswertung identifizierten Themen ließen sich dem subjektiven rehabezogenen Behandlungskonzept Jugendlicher im engeren Sinne zuordnen sowie Variablen, die die Jugendlichen mit ihren Annahmen zur Behandlung assoziierten, und die von uns im Sinne subjektiver Kontextfaktoren interpretiert wurden. Hierbei wurden insgesamt sechs subjektiv bedeutsame Kontextfaktoren benannt. Die Lebenssituation vor der Reha war häufig gekennzeichnet von schulischen und familiären Problemen, wenig Sozialkontakten und intensivem Medienkonsum. Die Idee zur Reha stammte meist von verschiedenen Personen im sozialen Umfeld des Jugendlichen, v.a. von den Eltern. Einige Jugendliche berichteten über vorangegangene Lösungsversuche und Reha-Vorerfahrungen. Darüber hinaus waren Informationen im Vorfeld der Rehabilitation, die die Jugendlichen teilweise von der Klinik bekamen, teilweise aber auch selbst im Internet oder bei Bekannten beschafft wurden, subjektive Kontextfaktoren des rehabezogenen Behandlungskonzepts. Und schließlich kristallisierten sich die vermuteten rehabezogenen Behandlungsannahmen der Eltern als subjektiver Kontextfaktor heraus. Hierbei wurden vorrangig die elternseitig vermutete Notwendigkeit der Rehabilitation, die vermuteten Prozess- und Ergebniserwartungen der Eltern sowie die Übereinstimmung zwischen den eigenen und den vermuteten Einstellungen der Eltern thematisiert.
Diskussion und Fazit
Kontextfaktoren beeinflussen subjektive Konzepte von Krankheit und Behandlung und das gesundheitsbezogene Outcome wie z.B. die Funktionsfähigkeit. Die ICF (WHO, 2001) betont daher unter der Prämisse einer ganzheitlichen Perspektive die Notwendigkeit, auch die Kontextfaktoren einer Person zu berücksichtigen. Sie unterscheidet dabei zwischen personenbezogenen und Umweltfaktoren. Während Umweltfaktoren in der ICF bereits klassifiziert sind, ist dies bei den personenbezogenen Faktoren auf Grund der weltweit großen kulturellen Unterschiede bisher nicht der Fall. Eine Arbeitsgruppe legte jedoch einen Vorschlag zur Klassifikation personenbezogener Faktoren vor (Grotkamp et al., 2010). Sämtliche von den Jugendlichen in unserer Studie berichteten Kontextfaktoren lassen sich den Kategorien der Umweltfaktoren (WHO, 2001) und der personenbezogenen Faktoren (Grotkamp et al., 2010) zuordnen. Die Ergebnisse geben einen ersten Eindruck davon, welche Kontextfaktoren aus Sicht der Jugendlichen explizit im Hinblick auf ihre Annahmen bezüglich einer bevorstehenden Rehabilitation bedeutsam sind.
Angesichts der Relevanz und der vergleichsweise geringen Studienlage zu subjektiven Kontextfaktoren der krankheitsbezogenen Selbstregulation insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendrehabilitation sollte diese Thematik künftig auch in größeren Stichproben Beachtung finden.
Literatur
Grotkamp, S., Cibis, W., Behrens, J., Bucher, P. O., Deetjen, W., Nyffeler, I. D., Gutenbrunner, C., Hagen, T., Hildebrandt, M., Keller, K., Nüchtern, E., Rentsch, H. P., Schian, H., Schwarze, M., Sperling, M., Seger, W. (2010): Personenbezogene Faktoren der ICF – Entwurf der AG “ICF” des fachbereichs II der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP). Gesundheitswesen, 72. 908-916.
Law, G. U., Tolgyesi, C. S., Howard, R. A. (2014): Illness beliefs and self-management in children and young people with chronic illness: a systematic review. Health psychology review, 8. 362-380.
Leventhal, H., Brissette, I., Leventhal, E. A. (2003): The common-sense model of self-regulation of health & illness. In Cameron, L. D. & Leventhal, H. (eds). The self-regulation of health & illness behaviour. London: Routledge Taylor & Francis Group. 42-60.
Paterson, J., Moss-Morris, R., Butler, S. J. (1999): The effect of illness experience and demographic factors on children's illness representations, Psychology and Health, 14. 117-129.
World Health Organization (2001): International classification of functioning, disability and health: ICF. World Health Organization.