1) Hintergrund/Fragestellung
Für Unionsbürger*innen ist der Zugang zum Krankenversicherungssystem oft mit Schwierigkeiten verbunden und manchmal rechtlich oder tatsächlich unmöglich.
Der EuGH hat mit Urteil vom 15. Juli 2021 (C‑535/19) entschieden, dass nicht-erwerbstätige Unionsbürger*innen in einem anderen Unionsstaat nicht kategorisch vom öffentlichen Gesundheitssystem ausgeschlossen werden dürfen. Dies hat zur Folge, dass auch die deutsche Rechtslage unionsrechtswidrig sein dürfte.
Denn nach dem deutschen Recht sind Unionsbürger*innen von jeder Versicherungsmöglichkeit in der GKV ausgeschlossen, wenn ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland einen Krankenversicherungsschutz vorausgesetzt. Auch von den Privatversicherungen werden sie meist nicht aufgenommen.
In dem Fachforum möchten wir folgende Fragen aufrufen:
- Wie ist der Zugang zur Krankenversicherung für EU-Bürger*innen, die über kein anderes Freizügigkeitsrecht als das für Nicht-Erwerbstätige gem. § 4 FreizügG verfügen, gesetzlich geregelt?
- Welche Folgen der Rechtslage werden in der Praxis festgestellt?
- Was muss auf politischer Ebene unternommen werden, um den Zugang dieser Gruppe zur Gesundheitsversorgung zu verbessern?
2) Projektbeschreibung/Methode
Zwei Fachimpulse, anschließend Diskussion im Plenum.
3) Schlussfolgerung/Ergebnisse
Ziel des Fachforums ist, den Handlungsbedarf beim Zugang von nicht-erwerbstätigen Unionsbürger*innen zur Krankenversicherung zu eruieren und gesetzliche als auch strukturelle Lösungsmöglichkeiten anzuzeigen – auch in Hinblick auf den Beginn der Legislaturperiode.
4) Diskussionsbeitrag/Lessons Learned
Empfehlungen für die Verbesserung des Zugangs zur Krankenversicherung für Unionsbürger*innen.
Rechtslage zur Krankenversicherung für nicht-erwerbstätige Unionsbürger*innen in Deutschland
Prof. Dr. jur. Dorothee Frings | Hochschule Niederrhein University of Applied Sciences | Germany
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Autor:in:
Prof. Dr. jur. Dorothee Frings | Hochschule Niederrhein University of Applied Sciences | Germany
In dem Fachbeitrag soll erläutert werden, wie der Zugang zur Krankenversicherung für EU-Bürger*innen, die als Nicht-Erwerbstätige über kein anderes Freizügigkeitsrecht verfügen, im deutschen Recht blockiert wird, und welche Auswirkungen die Entscheidung des EuGH vom 15.06.2021 haben könnte.
Erfahrungsbericht aus einer Clearingstelle zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung
Samira Platz | Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V. | Germany
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Autor:in:
Samira Platz | Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V. | Germany
Der Fachbeitrag soll aus der Perspektive der Beratungspraxis einer Clearingstelle Gesundheit schildern, mit welchen Hürden die EU-Bürger*innen beim Zugang zum Krankenversicherungssystem konfrontiert werden. Der besondere Fokus soll bei den EU-Bürger*innen liegen, die über kein anderes Freizügigkeitsrecht als das für Nicht-Erwerbstätige gem. § 4 FreizügG verfügen.
Ohne Krankenversicherung während einer weltweiten Pandemie
Annemarie Weber | Ärzte der Welt e.V. | Germany
Dr. Cevat Kara | Ärzte der Welt e.V. | Germany
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Autor:innen:
Annemarie Weber | Ärzte der Welt e.V. | Germany
Dr. Cevat Kara | Ärzte der Welt e.V. | Germany
Katharina Ens | Ärzte der Welt e.V. | Germany
Hintergrund/Fragestellung
Geschätzt leben in Deutschland mehrere Hunderttausend Menschen ohne Krankenversicherung. Ärzte der Welt bietet gemeinsam mit Kooperationspartnern medizinische Versorgung und soziale Beratung für Menschen mit eingeschränktem oder keinem Zugang zum regulären Gesundheitssystem und erhebt Daten zu Lebensumständen und erlebten Barrieren seiner Patient*innen. EU-Bürger*innen, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus und Wohnungslose gehören zu den Hauptzielgruppen.
Projektbeschreibung/Methode
Die Coronapandemie hatte gravierende Auswirkungen auf die ohnehin schwierige Lebenssituation dieser Gruppen: Zu Beginn der Pandemie mussten viele soziale Einrichtungen ihre Angebote stark einschränken oder schließen. Geschlossene Grenzen führten dazu, dass Menschen ohne Zugang zur medizinischen Versorgung in Deutschland festsaßen. Menschen in prekären Lebenslagen verloren ihren Job und damit Einkommen und Unterkunft. Obdachlose konnten sich nicht ausreichend vor Ansteckung schützen.
Schlussfolgerung/Ergebnisse
Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass vielen Menschen der erschwingliche Zugang zur medizinischen Regelversorgung verwehrt bleibt. Auch präventive Maßnahmen zum Infektionsschutz sind ohne gesicherte Unterkunft und Einkommen kaum umsetzbar. Covid-19-Testung, Behandlung und Impfung blieb vielen unserer Patient*innen über einen langen Zeitraum gänzlich verwehrt.
Diskussionsbeitrag/Lessons Learned
Der Zugang zu medizinscher Versorgung im regulären Gesundheitssystem und zu Maßnahmen des Infektionsschutzes muss für alle in Deutschland lebenden Menschen gewährleistet werden. Darüber hinaus spielen soziale Faktoren wie sichere Wohn-, Arbeits- und Lebensverhältnisse eine entscheidende Rolle für die Gesundheit vulnerabler Bevölkerungsgruppen.